piwik no script img

Bonuspunkte fürs bürgerliche Privatleben

■ Schill-Kandidaten für die Bürgerschaftswahl: Kinderreichtum kommt bei der Basis an

Applaus gibt es für Ehejahre. Je mehr, desto anhaltender. Mario Mettbach hat 24 Jahre vorzuweisen, „natürlich immer mit derselben Frau“, sagt er und lacht über seinen Witz. Außerdem hat er drei Kinder gezeugt, auch das eine beifallswürdige Leistung. Platz zwei auf der KandidatInnenliste der Schill-Partei für die Bürgerschaftswahl im September ist ihm sicher.

Optimistisch stellten die Mitglieder der rechtspopulistischen Partei am Wochenende im Cafe Seeterrassen in Planten un Blomen 50 KandidatInnen für die Bürgerschaft auf. Lissi Gümpel landete nur unter ferner liefen. Ihr hätten wahrscheinlich selbst acht Kinder nichts genutzt. Denn Lissi Gümpel („ich bin 63 Jahre jung“) wollte die Revolution. Sie ist gegen Katrin Freund angetreten, die Ex-Freundin des Parteivorsitzenden Ronald Schill. Und wenn deren Beziehung auch in die Brüche ging, kämpft man jetzt trotzdem Seite an Seite für mehr Polizei in der Stadt. Ein Affront gegen Freund ist ein Affront gegen Schill, und das dulden dessen Anhänger nicht. Höchstens drei Parteimitglieder applaudieren Lissi Gümpel, als die mit fast überkippender Stimme „auf geht's in die 20 Prozent“ von der Bühne schreit und aufgeregt die Rückseite ihres Sweatshirtes präsentiert: „Ronald Barnabas Schill schon bei neun Prozent“. Haushoch verliert sie gegen Katrin Freund.

Die landet auf Platz vier und damit auf einem Listenplatz, der noch als sicher gilt, sollten die RechtspopulistInnen die Fünf-Prozent-Hürde schaffen und in die Bürgerschaft einziehen. Bisher hat die Schill-Partei sich ausschließlich über die Forderung nach mehr Polizei und weniger Ausländern definiert. Im Parlament aber soll richtige Politik gemacht werden, Bildungspolitik zum Beispiel. Um die will Freund sich kümmern, kompetent als Mutter eines schulpflichtigen Kindes, Tochter einer Lehrerin und Geschäftsfrau, die „in drei verschiedenen Ländern eine Ausbildung genossen hat“. Und nein, antwortet sie auf die ketzerische Frage des einzigen Lissi Gümpel-Fans im Saal, sie hat ihren Wohnsitz in Hamburg nicht nur angemeldet, um hier das passive Wahlrecht zu bekommen.

Listenplatz drei bekommt Norbert Frühauf. Der ist 42 Jahre, hat drei Kinder, Beifall. Mit 15 war er in die Junge Union eingetreten, da hat er „schon früh den Spaß an der Politik erkennen können“. Besonders großen Spaß bereitet ihm die Förderung des Mittelstandes. Um die will er sich kümmern, sollte er ab Herbst für die Schill-Partei im Parlament sitzen. Denn die Hundeverordnung wurde schließlich auch „von den Schlafmützen in den etablierten Parteien über zehn Jahre verschleppt, und ich befürchte, das betrifft nicht nur Hunde“. Die Mitglieder scheinen zu wissen, was er meint: Frühauf wird gewählt.

Dirk Nockemann kandidiert auf Platz fünf. Dirk Nockemann, sagt er, ist eigentlich ein ganz normaler Bürger. Ein wenig Protest sei dann aber doch mit im Spiel gewesen, als er vor einem Jahr bei Ronald Schill anrief und seine Unterstützung für dessen rechtspopulistische Partei anbot. Denn wenn er eines nicht ausstehen kann, sagt der jetzige Leiter des „Arbeitskreis Ausländerrecht“ in der Partei, dann sind das „Denkverbote“: „Geistige Verbotsschilder von genau den Leuten, die vor 20 Jahren Häuser besetzten und heute Meinungen“. Applaus. Offen bleibt allerdings die Frage, wieviele Kinder Nockemann hat. Dennoch bekommt er Listenplatz fünf.

Ach ja: Zum Spitzenkandidaten wählen die Mitglieder Parteigründer Ronald Schill. Elke Spanner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen