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Irak-Sanktionen sollen intelligenter werden

Das Embargo gegen den Irak hat Diktator Saddam Hussein nichts anhaben können. Das merken nun auch Großbritannien und die USA

GENF taz ■ Waren die jüngsten amerikanisch-britischen Bombardements gegen Ziele in der Umgebung Bagdads der Auftakt zu einer neuen militärischen Eskalation am Golf? Oder ist in nächster Zeit mit einer Revision der seit zehn Jahren von den USA dominierten Irak-Politik des Westens zu rechnen? Aus London und etwas weniger deutlich auch aus Washington gibt es Signale, die auf eine Revision hindeuten. Der britische Außenminister Robin Cook schrieb in einem Zeitungsbeitrag, die USA und Großbritannien wollten die Sanktionen gegen Irak „wirksamer“ gestalten. Zugleich wurden Vorschläge seines Staatsministers Brian Wilson bekannt, das umfassende Wirtschaftsembargo gegen Irak durch ein Regime „intelligenter“ oder „ gezielter“ Sanktionen zu ersetzen.

In einer schriftlichen Antwort auf Fragen von Labour-Abgeordneten erklärte Wilson, Hauptziel „intelligenter Sanktionen“ sollen die – eventuell noch verbliebenen – Programme Iraks zur Entwicklung von Massenvernichtungswaffen sein. Außerdem sollen die Auslandsvermögen führender Mitglieder des Regimes von Saddam Hussein eingefroren und ihre internationale Bewegungsfreiheit eingeschränkt bleiben. Wilson schlägt vor, die Einfuhr von Gütern zum Wiederaufbau der zivilen Infrastruktur und der Ölförderanlagen Iraks wieder in vollem Umfang zuzulassen. Die britische Regierung solle sich im Sanktionsausschuss des UNO-Sicherheitsrats dafür einsetzen, dass von Bagdad im Ausland bestellte humanitäre Güter künftig ohne Restriktionen und Zeitverzug geliefert werden.

Auch in Washington gibt es nicht wenige, die zumindest hinter verschlossenen Türen ähnliche Vorschläge formulierten wie jetzt der britische Staatsminister. Analytikern ohne ideologische Scheuklappen ist spätestens seit den letzten schweren amerikanisch-britischen Bombardements gegen irakische Ziele vom Dezember 1998 klar, dass die Irak-Politik ihres Landes gescheitert ist – gemessen an den in den vergangenen zehn Jahren deklarierten Zielen. Infolge dieser Bombardements mussten die UNO-Waffeninspekteure das Land verlassen. Saddam Hussein sitzt heute fester im Sattel den je seit Ende des Golfkrieges im Februar 1991. Der Verweis auf die Sanktionen und die amerikanisch-britischen Luftangriffe – die in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich drei Mal wöchentlich stattfanden – ermöglicht es dem Diktator, das Volk trotz aller wirtschaftlichen und sozialen Not hinter sich zu scharen und jeglichen Ansatz zur Opposition im Keim zu ersticken. Das Leiden der Zivilbevölkerung ist trotz des seit Dezember laufenden UNO-Programms „Öl für Nahrungsmittel“ nach wie vor dramatisch. Bis Ende 2.000 sind nach offiziellen UNO-Angaben rund 1,4 Millionen Irakis an den Folgen der Sanktionen gestorben – darunter mehr als 600.000 Kinder unter fünf Jahren. Wenn schon nicht diese verheerenden humanitären Folgen, so haben doch die politischen Verschiebungen in der Nahostregion seit 1991 in Washington zu wachsenden Zweifeln an der eigenen Politik geführt. Von der damals von Präsident Bush senior geschmiedeten Golfkriegsallianz aus 22 Staaten ist nur noch Großbritannien geblieben. Syrien und Ägypten haben seitdem die Annäherung an Irak betrieben bis hin zur Vereinbarung einer Freihandelszone. Alle kleineren Golfstaaten mit Ausnahme Kuweits wollen nachziehen. Selbst in Saudi-Arabien, bislang Washingtons wichtigster Verbündeter, wächst die Kritik an der US-Politik. Die Nahostreise von US-Außenminister Colin Powell soll der Vorbereitung einer Korrektur der amerikanischen Irak-Politik dienen. Allerdings müsste Powell hierbei noch erhebliche Widerstände innerhalb der Administration und bei der Rüstungsindustrie überwinden. Denn das Feindbild Irak unter Saddam Hussein erfüllte wichtige Zwecke: Die US-Rüstungsindustrie konnte für hunderte von Milliarden Dollar Waffen an Israel, Kuweit, Saudi-Arabien und andere Staaten verkaufen. Und der „Schurkenstaat“ Irak musste und muss – weit mehr als Nordkorea, Libyen, Sudan oder andere Staaten – als Begründung herhalten sowohl für die Entwicklung neuer Atomwaffen nach Ende des Ost-West-Konflikts wie für Washingtons Raketenabwehrpläne. ANDREAS ZUMACH

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