: Nur nicht abschlachten lassen
Frankreichs Fußball-Nationalmannschaft strotzt vor dem heutigen Freundschaftsspiel nur so vor Selbstvertrauen, den DFB-Kickern wiederum ist davor etwas bange
BERLIN taz ■ Früher war es wohl so: Man musste nur ein paar Namen nennen, Beckenbauer zum Beispiel, oder auch Netzer, Breitner, Hoeneß, Müller oder Maier, und schon wich den Gegnern die Farbe aus dem Gesicht und es schlotterten ihnen vor Angst die Knie. Oh ja, so war das, wenn Deutschlands Fußball-Nationalmannschaft irgendwo auf dieser Welt gegen den Ball trat, ganz bestimmt war es so. Früher.
Heute ist es so: Man muss nur ein paar Namen nennen, Zidane zum Beispiel, oder Desailly, Lizarazu, Petit, Henry oder Barthez, und schon weicht den Gegnern die Farbe aus dem Gesicht und es schlottern ihnen vor Angst die Knie, wenn sie gegen Frankreich antreten müssen. Na ja, wenigstens im übertragenen Sinne ist es so, was sich ganz konkret derart anhört: „Die Franzosen sind absoluter Favorit. Sie sind das Maß aller Dinge.“
Rudi Völler sagt das, was den Satz natürlich noch wahrer werden lässt. Denn zum einen hat Völler vor noch gar nicht allzu langer (Krisen)Zeit nicht schnell genug weggeschaut und ist dadurch, eher zufällig, Teamchef der deutschen Nationalmannschaft geworden; zum anderen spielt genau jene Mannschaft heute Abend (20.45 Uhr/ARD) gegen die Franzosen, die amtierender Welt- und Europameister in einem sind, seit 1994 in 85 Partien nur fünfmal verloren haben und auch sonst nur so strotzen vor Selbstvertrauen, wie gerade ihr Kleinster in L’Equipe zu Protokoll gegeben hat. „Du bist Weltmeister, du bist Europameister, du bist der Beste. Punkt“, hat Frankreichs Bixente Lizarazu da gesagt. So einfach ist das. Punkt!
Da steht „les allemands“ ganz schön was bevor heute Abend im „Stade de France“ zu St. Denis, das ausssieht wie ein gerade gelandetes Raumschiff. „Lasst uns Ihnen zeigen, dass wir die Chefs im eigenen Haus sind“, forderte im Vorfeld schon mal Youri Djorkaeff, der sein täglich Brot beim 1. FC Kaiserslautern in der Bundesliga verdient. Nach Freundschaftsspiel klingt das nicht eben, was Rudi Völler gar nicht so ungelegen kommen dürfte: Unter seiner Anweisung verloren die DFB-Kicker von vier Spielen nur eines: im Sommer mit 0:2 gegen Dänemark – und ebenfalls in Freundschaft. Diesmal aber dient ihm die Partie doch zu etwas mehr, nämlich als „Standortbestimmung vor der anstehenden WM-Qualifikation“.
Die Botschaft des Teamchefs ist offenbar angekommen bei seinen Spielern. „Ich bin nicht nach Paris gekommen, damit wir uns abschlachten lassen“, sagt beispielsweise der Dortmunder Christian Wörns, der das Glück hatte, bei der vermaledeiten EM im Vorjahr verletzt zu fehlen, und nun sein Debüt gibt unter Völler. Natürlich in der Abwehr, wo mit dem Münchner Jens Jeremies gleich noch ein zweiter Rückkehrer aufgeboten wird – und zwar auf der Chefposition für den angeschlagenen Jens Nowotny. Ganz neu und erstmals in die Nationalmannschaft berufen wurden gar die Bremer Torsten Frings und Frank Rost sowie der Lauterer Stürmer Miroslav Klose. Ihnen schon jetzt zum Trost: Auch Beckenbauer und Kollegen haben in Paris nie gewonnen. Der letzte deutsche Sieg an der Seine datiert vom 17. März 1935.
FRANK KETTERER
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