: Verwaltung stottert online
■ Der Einsatz moderner online-Kommunikation zwischen Bürgern und ihren Ämtern scheitert derzeit an der Verwaltung / Prof. Kubicek über Visionen und Realtäten
Jeder, der einen Internet-Zugang vor sich hat, kann heute eine Urlaubsreise inklusive Hotel in Australien buchen, kann sein Bank-Konto verwalten, kann digitale Fotos zum Entwicklungslabor schicken oder auf Partnersuche gehen. Nur mit der öffentlichen Verwaltung geht (fast) nichts.
Dabei sind die Visionen derer, die an dem Thema arbeiten, nicht weniger hochfliegend: „24-7-365 rechtsverbindlich per Mausclick“ ist das Stichwort, an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr sollen Verwaltungsvorgänge für den Bürger „online“ möglich sein und mit rechtsverbindlicher digitaler Unterschrift versehen werden können, erinnerte der Betriebswirt am Bremer Informatik-Fachbereich, Prof. Herbert Kubicek bei einem Vortrag im Gästehaus der Bremer Universität. Die Realität ist eine ganz andere. Will ich zum Beispiel das Auto ummelden, dann kann ich im Internet die Adresse der Zulassungsstelle suchen, kann mir sogar auf einem Stadtplan-Auszug anzeigen lassen, mit welcher Straßenbahn ich nach Hemelingen komme und wie das Gebäude aussieht, in dem die KFZ-Stelle sitzt. Und dann muss ich aber offline gehen und mich in die Straßenbahn setzen und hinfahren und eine Wartemarke ziehen.
Das ist für Internet-Nutzer frustrierend. Bremen Online Services(BOS) heißt die Firma, die diesen Zustand mit 48 Millionen Mark verändern will. Mühsam ist der Vorgang für die IT-Spezialisten, weil es dabei weniger um die Software geht. Schlimmer sind die Verwaltungsvorschriften, die eine elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Verwaltung erschweren. Es gibt die Technik der digitalen Signatur, es gibt seit zwei Jahren ein Gesetz, dass ihren Einsatz regelt, aber kaum jemanden, der sie nutzen will – nur wenige hundert interessierter „Pilotbürger“ haben sich bisher die Schecckarte mit der digitalen Signatur abgeholt. Und die Technik-Muffel haben Recht: Kaum eine der Behördenstuben kann etwas damit anfangen, wenn ein elektronisch unterschriebener Brief ankommt.
Große Ausnahme und Vorzeige-Projekt im Modellversuch ist das Standesamt. Angenommen, ich will eine Geburtsurkunde, spielte Kubicek vor den ca. 30 interessierten Zuhörern im Gästehaus der Universität den Fall durch, dann kann ich über das Internet über Dutzende von Schritten, von denen die meisten technisch völlig überflüssig, aber gesetzlich vorgeschriebene Zwischen-Abfragen betreffen, meine Bitte um Zusendung der Geburtsurkunde eintippe, elektronisch signieren und abschicken Diese Bestellung landet dann als Ausdruck im Post-Eingangskorb des Standesamtes. Wieviel einfacher wäre es, die Urkunde per Telefon oder per Postkarte zu bestellen, gestand Kubicek ein.
Der derzeitige Stand der Modell-Versuche ist nicht geeignet, so Kubicek, die Menschen vom Nutzen der neuen Technik zu überzeugen. Er setzt daher darauf, dass die derzeit noch teure digitale Signatur-Scheckkarte ab dem Jahr 2002 überflüssig wird, weil sie auf der Scheckkarte des Bank-Institutes angeboten wird. Dann wird alles nur noch davon abhängen, wie die öffentliche Verwaltung sich auf die neue Technik einstellt. Speziell interessierte Berufsgruppen sollen den Anfang machen: KFZ-Händlern soll zum Beispiel die Warterei an der Zulassungsstelle erspart werden. Mit ihnen und mit Steuerberatern und Architekten will das Bremer Pilotprojekt „media§komm“ anfangen. K.W.
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