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2001: Odyssee im Männeruniversum

■ In der Versammlung der Kassenärzte sitzen 23 Männer und eine Frau. Warum? Weil Frauen die Familienarbeit machen. Eine Ärztin: „Das ist unser Schicksal“

Ärzte in Bremen? Männersache. Das mag glauben, wer sich die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) ansieht. Im Zentralorgan ärztlicher Selbstverwaltung sitzen 23 Männer. Und eine Frau. Im Jahr 2001.

Es sei nie anders gewesen, sagen die Beteiligten. Frauen wollten nämlich nicht, heißt es, ließen sich einfach nicht auf die Wahllisten des im Vier-Jahres-Turnus neu gewählten Gremiums setzen. „Wir können die Frauen ja nicht mit dem Lasso einfangen“, erklärt Jürgen Grote, Vorsitzender des KV-Vorstandes, der übrigens auch nur aus Männern besteht. Der Internist vermutet „ ein Stück Bequemlichkeit“ beim anderen Geschlecht, schließlich mache Berufspolitik Arbeit.

1.230 ÄrztInnen hat die KV für das Land Bremen registriert. Dazu kommen 546 PsychotherapeutInnen, die eine KV-Zulassung haben, also von Krankenkassen anerkannt und bezahlt werden. Bei den ÄrztInnen sind rund ein Drittel Frauen, bei den TherapeutInnen gar die Hälfte. Wo stecken sie also, die Frauen, die ach so viel schaffen, die doppelt soviel leisten müssen, wollen sie einmal soviel gelten wie ein Mann? „Vielleicht hängt es damit zusammen, dass sie im Haushalt immer noch mehr belastet sind als die Männer“, mutmaßt ganz zaghaft Internist Heinrich Eitmann. „Es ist ja nicht so, dass wir keine Frauen haben wollen, ganz im Gegenteil.“ Nur hätten sich eben keine zur Verfügung gestellt.

Nicht, dass gerade geschlechterbezogene Angelegenheiten anstünden in der Vertreterversammlung. Die Delegierten setzen gesetzliche Vorgaben um, segnen Verträge mit den Krankenkassen ab, besetzen überdies 45 Ausschüsse, die sich wiederum um Zulassungen oder um Finanzen oder Rechtliches kümmern – Verwaltungskram. „Null Fraueninteressen“ seien hier derzeit zu vertreten, sagt Barbara Auerswald. Sie ist die einzige Frau in der Versammlung und zugleich Präsidentin der Bremer Ärztekammer. Über die Gründe für die weibliche Zurückhaltung will sie nicht spekulieren. Nur eines: „Es ist wirklich nicht so, dass die Männer uns beiseite drängen.“ Weibliches Fast-Nicht-Erscheinen habe vielleicht auch mit der aktuellen KV-Politik zu tun, die ja stark in der Kritik stehe, „weil hier Mangel verwaltet wird.“ Da müsse man sich positionieren, so die Kammerpräsidentin, das sei ein hartes Geschäft. „Vielleicht mag man sich dem nicht so aussetzen.“

Und irgendwann rückt Auerswald damit raus, dass vielleicht doch ein bisschen mehr dahintersteckt: „Ich habe langsam das Gefühl, dass die Gleichberechtigung von den Frauen selbst weniger problematisiert wird.“

Das Gleiche beobachtet Eva Ramsauer, Dermatologin und Vorsitzende ihres Berufsverbandes. Nach dem „ganzen Getue mit Emma undsoweiter“ sehe sie jetzt einen „deutlichen Rückschritt.“ Heutzutage seien Frauen ja „schon zufrieden, wenn sie keinen Beruf haben, sondern einen Freund.“ Das Ärztinnen nicht unbedingt so denken, gesteht die 66-Jährige sofort zu. Warum wollen sie dann trotzdem keine Berufspolitik machen? „Ja, warum wollnse wohl nicht“, poltert sie, „wenn sie unverheiratet sind, geht's.“ Mit drei Kindern nicht. „Das ist halt unser Schicksal.“

Immer noch. „Ich denke, dass Frauen nicht den Rücken frei haben“, sagt Uta Busse, Allgemeinärztin. „Wenn Frauen beides, Beruf und Familie, gut machen, ist das viel.“ Hinzu kommen Fortbildungen. Für Berufspolitik bleibe dann keine Zeit mehr. Wäre es nicht dennoch sinnvoll, dass in der Vertreterversammlung mehr Frauen säßen? „Tja“, sagt Busse, „theoretisch ja. Aber wie's gehen soll, weiß ich nicht.“ sgi

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