: Eine kleine Klappe in der Tür
■ In der Bürgerschaft soll in dieser Woche darüber diskutiert werden, ob Bremen eine Babyklappe braucht / Beratungs- und Hilfsangebote sind wichtiger, meinen viele
Eine kleine Metallklappe in einer Tür, dahinter ein Wärmebettchen. Als der Hamburger Verein Sterni Park im April 2000 die erste „Babyklappe“ einrichtete, löste das noch bundesweite Diskussionen aus. Mittlerweile gibt es in acht deutschen Städten Nester, Klappen, Körbchen, um Neugeborene anonym abgeben zu können. Die Kirchen beteiligen sich ebenfalls – wie die Evangelische Kirche in Hannover, die kürzlich eine Babyklappe eingerichtet hat. In dieser Woche soll nun in der Bürgerschaft darüber diskutiert werden, ob ein solches Angebot auch in Bremen Sinn macht.
Wie viele Mütter hierzulande ihre neugeborenen Kinder aussetzen, steht nicht genau fest: Die Angaben schwanken zwischen zwei und sechs Kindern in den letzten zehn Jahren. Bundesweit sind es jährlich 40 Neugeborene, von denen zwanzig nicht überleben. SPD und CDU in Bremen haben nun gemeinsam einen Antrag verfasst, in dem sie den Senat auffordern, zu prüfen, inwieweit die Einrichtung eines „Bremer Babyfensters“ Sinn macht. Auch die Grünen wollen dem Antrag zustimmen. Ein Babyfenster – etwa an einem Krankenhaus – dürfe allerdings keine „Alibiveranstaltung“ sein, so die Grüne Karoline Linnert. Vorrangig seien soziale Hilfen für die in Not befindlichen Mütter. Und die wollen auch weiterhin finanziert sein.
Ähnliches bekommt man bei vielen beteiligten Institutionen zu hören: Ein Babyfenster sei eine letzte Möglichkeit, Kinder vor dem Aussetzen zu schützen, viel wichtiger seien aber Beratungs- und Hilfsangebote im Vorfeld. „Wenn eine Frau sich entscheidet, ihr Kind in einer Babyklappe abzugeben, hat sie schon eine ganz schlimme Zeit hinter sich“, sagt Ilse Scheinhardt von der Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Indes: Eigentlich sei man in Bremen mit Beratungsstellen „relativ“ gut ausgestattet. Nötig sei vor allem eine bessere Information über die Existenz von Beratungs- und Hilfsangeboten. Von kirchlicher Seite aus gibt es etwa das Mutter-Kind-Haus in Findorff oder die Einrichtung „casa luna“ für minderjährige Schwangere.
Ob Bremen in Zukunft außerdem eine Babyklappe haben wird, ist der Sprecherin des Sozialressorts, Heidrun Ide, zufolge noch vollkommen offen. Man werde den Antrag prüfen, „aber eigentlich braucht man hier keine“. Auch die Bremische Evangelische Kirche, die die existierenden Angebote ebenfalls positiv beurteilt, hat sich noch nicht festgelegt. Es gibt indes auch kritische Stimmen: Waltraud Hammerström (SPD), die den Antrag mit unterzeichnet hat, sieht durchaus die Gefahr, dass Kinder, die anonym ausgesetzt wurden, im späteren Leben große psychologische Probleme wegen ihrer unklaren Herkunft bekommen könnten. Das sei immer noch besser, als tot im Mülleimer zu landen, heißt es dazu von Seiten der CDU, die zuerst mit dem Thema an die Öffent-lichkeit gegangen war.
Eine derartige Einrichtung führe keinesfalls dazu, dass möglicherweise mehr Mütter nach der Entbindung ihr Kind abgeben würden, meint Christdemokratin Brigitte Dreyer. Zielgruppe sei lediglich eine ganz kleine Gruppe von meist sehr jungen Frauen. Es gehe darum, in einzelnen Notfällen Leben zu erhalten, so die CDU-Frau. Irgendeinen Zusammenhang mit der Haltung ihrer Partei in Sachen Abtreibung will sie nicht erkennen.
Die bessere Alternative zur Babyklappe sei jedoch, das Personenstandsgesetz zu verändern. Genau dies wird ebenfalls in dem Antrag gefordert: In einigen EU-Ländern haben Frauen die Möglichkeit, ihre Kinder anonym zur Welt zu bringen, was in Deutschland illegal ist. Auch die derzeitigen Abrechnungsmodalitäten der Krankenkassen behindern eine solche Regelung. Es müsse überdies ein zeitlicher Spielraum nach der Geburt geschaffen werden, in dem Frauen ihre Situation überdenken können. Der Senat solle sich daher auf Bundes- und Landesebene dafür einsetzen, dass die Meldefrist bei Geburten auf mindestens zehn Wochen verlängert wird – was das Gesundheitsressort wegen der Bundeskompetenz allerdings für „schwierig“ hält. Außerdem soll der Senat über die bestehenden Hilfsangebote in Bremen Auskunft geben. hase
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