: Strom und Wärme vom Holzweg
Die deutschen Biomasse-Kraftwerke lieferten im vorigen Jahr bereits viermal mehr Strom als 1992. Immer mehr Betriebe erkennen, dass sich aus Holzabfällen mit modernster Technik Strom und Wärme produzieren lassen. Das Potenzial ist groß
Unter den regenerativen Energien ist Biomasse ein Hoffnungsträger mit hohem Potenzial für eine umweltverträgliche Energieerzeugung. Das weiß auch Martin Klenk, Chef eines Holz verarbeitenden Betriebes im baden-württembergischen Oberrot. Holzabfälle wurden dort wie seit Jahrzehnten als organischer Abfall auf die nächste Mülldeponie gekarrt. Doch damit ist es seit gut zwei Jahren vorbei. Klenk hat auf dem Firmengelände eine eigene Verbrennungsanlage installieren lassen, und seitdem werden die hölzernen Abfälle energetisch genutzt. „Wir produzieren nun unseren eigenen Strom“, erklärt Klenk.
Die Sache lohnt sich für den Betrieb. Zum einen spart der Unternehmer Deponiekosten, zum anderen hat er sich auch noch eine neue Einnahmequelle erschlossen. Klenk speist die überschüssige Wärme ins städtische Fernwärmenetz. Dadurch spart die Kommune jährlich die Kosten für 8.000 Tonnen Heizöl. Der Umwelteffekt: Rund 31.000 Tonnen Kohlendioxid bleiben der Atmosphäre durch den Unternehmer so ebenfalls erspart. Was beim Verbrennen von Biomasse an CO2 freigesetzt wird, wurde von den Pflanzen während der Wachstumsphase aufgenommen. Aus diesem Grund ist die Nutzung von Resthölzern als CO2-neutrale Verbrennung zu bewerten.
Deshalb will die Bundesregierung den Anteil der regenerativen Energien an der Gesamtenergieerzeugung bis zum Jahr 2010 verdoppeln und setzt dabei auch vor allem auf den Ausbau der Nutzung von Biomasse. „Wir wollen bei der Biomasse einen ähnlichen Boom hervorrufen wie bei der Windenergie“, sagt Ulrike Höfken, stellvertretende Vorsitzende des Agrarausschusses in Berlin.
Eine geradezu idealtypische Anwendung für Biomasse-Kraftwerke ist die Holz-, Papier- und Zellstoffindustrie. In diesen Branchen kann ein geschlossener Kreislauf umgesetzt werden, da der Biobrennstoff im Regelfall als Reststoff im Zusammenhang mit der Produktion anfällt. Anschließend können die „Bioabfälle“ dann durch ihre energetische Verwendung in einem firmeneigenen Kraftwerk zur Deckung des eigenen Bedarfs an Prozessdampf und Strom beitragen. „Marktanalysen und zahlreiche Gespräche mit Industrieunternehmen zeigen den großen Bedarf nach Biomasse-Kraftwerken mit hoher Verfügbarkeit“, meint Cornelis Rasmussen, Experte beim Kraftwerksbauer Siemens in Erlangen.
Langfristig will allein der Freistaat Bayern 10 bis 15 Prozent seines Energiebedarfs durch die Verwendung von Biomase zur Erzeugung von Strom und Wärme decken. 3,2 Prozent des Primärenergieverbrauchs in Bayern werden heute aus Biomasse gedeckt, sie ersetzen damit knapp zwei Milliarden Liter Heizöl.
Was mit Holz als Energieträger machbar ist, zeigt die Pfleiderer AG in Neumarkt. Über 200 Millionen Mark haben die Oberpfälzer investiert, um eine der umweltverträglichsten Spanplattenproduktionen weltweit aufzubauen. „Unser Biomasse-Kraftwerk ist eines der größten in Deutschland“, sagt Martin Rong, technischer Geschäftsführer der Pfleiderer Industrie GmbH. Die Power-Zentrale arbeitet nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), sie erzeugt also Strom und Wärme gleichzeitig. Satte 73,5 Megawatt (MW) beträgt die Feuerungswärmeleistung. Die Anlage, die mit einer Siemens-Turbine läuft, erzeugt bis zu 15 MW elektrisch, und zudem ist eine Wärmeauskopplung von bis zu 63 MW machbar. „Alles, was wir an Strom selbst nicht brauchen, speisen wir in das Netz der Stadtwerke Neumarkt ein“, erklärt Rong. Der Prozessdampf wird in erster Linie zur Trocknung der Holzspäne gebraucht, die Pfleiderer zur Spanplattenproduktion benötigt. Für Pfleiderer rechnet sich die Investition: Fast die Hälfte des Brennmaterials stammt aus der eigenen Produktion. So entfallen die sonst üblichen Entsorgungskosten. Die restlichen Bestandteile der Biorohstoffversorgung setzen sich aus Verpackungshölzern und aus Kanthölzern zusammen. „Mit unserem Biomasse-Kraftwerk sparen wir Kosten in zweistelliger Millionenhöhe bei den Energieaufwendungen“, sagt Rong.
Das Beispiel Pfleiderer zeigt, dass Investitionen in firmeneigene Biomasse-Kraftwerke sich durchaus rechnen. Ein weiterer Aspekt: Durch die Millioneninvestition konnte das Unternehmen außerdem seine Wettbewerbsfähigkeit auf einem national wie international hart umkämpften Markt halten und sogar noch ausbauen. Ähnliche Erfahrungen hat der Möbelhersteller Schieder gemacht. Statt seine Holzabfälle zu entsorgen, nutzt das Unternehmen die energiereichen Resthölzer zum Heizen. Der Clou: Die erzeugte Bioenergie reicht aus, um benachbarte Unternehmen und das örtliche Freibad zu beheizen. Das Kraftwerk besteht aus einem Dampf- und einem Kompaktkessel, in denen die Holzabfälle verbrannt werden. Rund 1.000 Tonnen Restholz werden in dem Biomasse-Kraftwerk verfeuert. „Wir können mit unserer Energiezentrale vorhandene Ressourcen schonen und auch noch Geld für Heizöl und Erdgas einsparen“, meint Horst Berger, der das Projekt für Schieder geplant hat.
Das Brennstoffpotenzial von Biomasse ist, da sind sich alle Experten einig, riesengroß. Da sich Biomasse optimal für den Einsatz in KWK-Anlagen eignet, gehen Fachleute davon aus, dass mittelfristig sogar ein Anteil von rund 15 Prozent am Primärenergieverbrauch möglich ist. „Wenn der Landwirt sich zum Energiewirt wandelt, dann sind solche Potenziale durchaus mittelfristig realisierbar“, meint Konrad Scheffer vom Institut für Nutzpflanzenkunde an der Universität Kassel. MICHAEL FRANKEN
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