herr tietz macht einen weiten einwurf: Fritz TIETZ über sportliche Castor-Transporte
Gorleben wird olympisch
Bei dem Länderspiel Griechenland gegen Deutschland letzte Woche standen sich nicht nur zwei Fußballmannschaften gegenüber, sondern auch die Angehörigen zweier Nationen, die in zwei der legendärsten Schlachten der Kriegsgeschichte verwickelt waren: Die Griechen 490 v. Chr. in die Schlacht von Marathon, die Deutschen im Winter 1942/43 n. Chr. in die um Stalingrad. So überraschend die Griechen damals gegen die klar favorisierten Perser gewannen, so vernichtend wurden die Deutschen von den bis dahin chancenlosen Russen geschlagen. Angesichts der vielen Toten, die, insbesondere in Stalingrad, auch die Sieger zu beklagen hatten, mag man sie allerdings nur ungern als solche bezeichnen. Eigentlich gab es nur einen Sieger, und das war der Sport, weil er den beiden Schlachten zwei olympische Disziplinen zu verdanken hat: Marathon den gleichnamigen Lauf und Stalingrad jenen Winterschießsport, der allerdings nicht Stalingrad, sondern Biathlon heißt.
Ebenfalls letzte Woche ging der Atomkraftgegner Jens Landele (34) mit der Polizei in Lüneburg eine Wette ein. Er würde die knapp 50 Kilometer von Lüneburg nach Dannenberg zu Fuß auf der Straße schneller bewältigen als die Castor-Behälter per Bahn. Die Wette hat er gewonnen. Nach etwa sieben Stunden Dauerlauf, als die Castoren noch auf halber Strecke herumtrödelten, erreichte Landele das Ziel. So hat nach der Schlacht von Marathon jetzt auch die Schlacht um Gorleben ihren Läufer und damit beste Chancen, Namensgeber einer olympischen Disziplin zu werden. Beim IOC hat man sich angeblich schon interessiert gezeigt. Bemängelt wurde jedoch, dass Landele am Ziel nicht tot umgefallen sei und auch keinen Sieg zu vermelden gehabt hätte. Aber das könne sich ja schon beim nächsten Castor-Transport ändern.
Man will Landele zumindest den Tod nicht wünschen. Aber mal angenommen, sein 50-Kilometer-Gorleben-Lauf würde eines Tages tatsächlich olympisch. Dann könnte man ihn natürlich leicht mit dem zwar 8 Kilometer kürzeren, ansonsten aber wettbewerbsgleichen Marathonlauf verwechseln. Vielleicht sollte man deshalb den Gorlebenlauf besser auf die Schiene verlegen. Vor allem aber auch aus symbolischen Gründen drängt sich die Schiene als Laufstrecke auf. Schließlich spielt sich ein nicht geringer Anteil der Schlacht um Gorleben ebendort ab. Ihr Schlachtfeld ist sozusagen das Gleisbett.
Darüber hinaus wäre das Laufen auf Schienen nicht nur eine zuschauerinteressante olympische Neuerung, sondern eine sportliche Herausforderung obendrein. Wer schon einmal versucht hat, auf einem Gleiskörper zu rennen, weiß, dass es dazu einer ganz eigenen Lauftechnik bedarf. Man sollte nämlich, schon allein um Verletzungen durch Umknicken auf dem lockeren Schotter zu vermeiden, möglichst nur auf die Schienenschwellen treten. Deren kurze Abstände zwingen einen aber zu ebenso kurzen Trippelschritten, was auf Dauer ganz schön in die Knochen geht. Das ist, erst recht auf 50 Kilometer, nur was für durchtrainierte Spezialisten.
Die Olympia-Stadien der Welt müssten für den Gorlebenlauf lediglich um einen eingleisigen Schienenrundkurs neben der Tartanbahn erweitert werden. In den Kurven würde je ein Wasserwerfer aufgestellt, mit deren Strahl die Läufer gezielt aus dem Tritt gebracht werden könnten. Als zusätzliche Laufhindernisse wären in unregelmäßigen Abständen die so genannten „Aktivisten“ ins Gleisbett einbetoniert. Und natürlich würde auch ein Castor-Behälter eingesetzt, der, den Gorleben-Läufern gleich, seine Runden auf dem Stadiongleis drehte. Natürlich gegen deren Laufrichtung.
Autorenhinweis:Fritz Tietz, 42, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.
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