: Bremer Selbsthilfe als Klüngelkrimi
■ Mitarbeiter wollen ihre anerkannte Arbeit mit neuem Träger fortführen / Staatsanwaltschaft stochert im Beziehungsgeflecht der Bremer Drogenhilfe, Arbeiterwohlfahrt und Sozialpolitik
„Ich muss hier die Abwicklung organisieren“, sagt Hans-Jürgen Schiak, der Gesachäftsführer des Vereins „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“. Der Verein organisiert als Träger ein Dutzend Projekte aus dem Bereich der Drogenhilfe, Anfang dieses Monats machte die Sozialbehörde klar: Die Arbeit der Projekte ist gut und soll fortgeführt werden. Der Träger „Bremer Hilfe“, insbesondere sein Vorsitzender Volker Tegeler, hat jedoch das Vertrauen der Behörde verloren.
Projekte wie der Therapiehof Lockstedt, die Reha-Klinik Pyramide, diverse betreute Wohngemeinschaften von ehemaligen Drogenabhängigen oder der Kontakta-Bus können jetzt nur fortgesetzt werden, wenn ein neuer Träger für sie gefunden oder gebildet wird. Der Betriebsrat der Bremer Hilfe äußerte gestern in einer Pressemitteilung die Erwartung, dass alle 120 Stellen für die fachlichen Arbeit von dem neu zu bildenden Träger übernommen würden.
Die Vorwürfe, nach denen die „Bremer Hilfe“ von verschiedenen Institutionen für dieselbe Arbeit doppelt Geld beantragte und bekam, sind Jahre alt, mittlerweile aber haben die Ermittlungen der Kripo eine ganz neue Dimension zu Tage gefördert. Es geht um knallharten Betrug in der Höhe von insgesamt über eine Million Mark. Im Zentrum der Ermittlungen: Der damalige Geschäftsführer Klaus Dyck. Und sein Chef, der Vorsitzende des Vereins, Volker Tegeler.
Warum kam die harte Reaktion der Sozialbehörde erst jetzt, drei Jahre nach bekannt werden der Vorwürfe? „Da müssen Sie den Staatsrat fragen“, sagt der derzeitige Geschäftsführer Schiak. Er kam erst 1998 ins seine Funktion, Jahre nach den fraglichen Vorgängen.
Der Verweis auf den Staatsrat könnte der Anfang eines Bremer Filz-Krimis „Bremer Selbsthilfe“ sein. Denn es gibt zwei Staatsräte, den „alten“ Hans-Christoph Hoppensack, mittlerweile im Ruhestand, der in der Zeit der Betrugsvorkommnisse verantwortlich war, und den „neuen“, Arnold Knigge. Heino Stöver, der in der fraglichen Zeit – Anfang der 90er Jahre – in der Bremer Drogenarbeit tätig war, stellte jüngst fest: „Die Machenschaften dieses Vorstandes (der Bremer Hilfe, d. Red.) waren ohne diese Sozialbehörde und ihre ehemalige Leitung nicht denkbar.“ Immer wieder habe er damals miterleben müssen, dass die „Bremer Hilfe“ von der Sozialbehörde bevorzugt bedient wurde.
Im Vertrauen auf das enge Verhältnis schickte Volker Tegeler noch am 6. März 2001 der Behörde noch einen Brief mit dem Vorschlag, eine „gemeinsame“ Arbeitsgruppe zur Klärung der Betrugsvorwürfe gegen seinen Verein zu bilden. Aber dort ist keine Bereitschaft mehr zu gemeinsamer Sache: Das Schreiben landete bei der Staatsanwaltschaft und die kam drei Tage später, um Akten bei der Behörde zu beschlagnahmen.
Wie Insider sich erinnern, war der Verein Bremer Hilfe mit deutlicher Unterstützung insbesondere des Staatsrates Hoppensack gegründet worden. Hoppensack verantwortete noch 1994 eine Bürgschaft, als die Bremer Hilfe der Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven den Therapiehof Lockstedt abkaufen wollte. Tegeler als AWO-Geschäftsführer brauchte dringend Geld. Tegeler als Bremer-Hilfe-Vorsitzender besorgte es – beim Bremer Sozialressort.
Von der AWO Bremerhaven kaufte die Bremer-Hilfe-Einrichtung „Regenbogen-Druckerei“ übrigens auch Druckmaschinen, bei denen die Staatsanwaltschaft die Frage klären musste, ob sie überhaupt existiert haben und nicht nur der Vorwand von Geld-Schiebereien waren.
Im internen Jargon unter den MitarbeiterInnen der Bremer Hilfe ist die Hierarchie klar: „Chef“ ist „VT“, Volker Tegeler, als Geschäftsführer verantwortlich zeichnete aber bis Mitte der 90-er Jahre Klaus Dyck. Dyck ist mittlerweise Mitinhaber (50 Prozent) des „Seminar- und Ferienzentrums Kramelheide GmbH“, das über erstaunlichen Immobilienbesitz verfügt. In der Zeit, als Dyck noch Geschäftsführer war, verkaufte er als Bremer Hilfe zum Beispiel seinem Ferienzentrum Kramelheide das Verwaltungsgebäude der Bremer Hilfe in der Schmidtstraße. Der Kaffee-Baron Schopf hatte es in den 80-er Jahren einmal für den guten Zweck gespendet. Nun gehört es zur Hälfte dem Geschäftsführer, der unter Betrugsverdacht steht, und die Bremer Hilfe zahlt für ihren Sitz 5.200 Mark Miete plus Nebenkosten im Monat – an die Kramelheide-GmbH.
Die Immobilie Kramelheide mit einigen Hektar Grundbesitz gehört ihrerseits der AWO Bremerhaven. Die Kramelheide-GmbH organisiert im Auftrag der AWO Bremerhaven Essen auf Rädern. Und so weiter.
Wenn man die Beziehungen im Kreise der Bremer Hilfe auf einem Blatt Papier mit Linien zeichnen wollte – man könnte das Blatt gleich einschwärzen. Über die Finanztransaktionen in diesem Geflecht blickt kaum ein Mitarbeiter noch durch. So hat auch kaum einer verstanden, warum die Ehefrau des Vorsitzenden, Gaby Doliwa-Tegeler, für ein ungewöhnlich hohes BAT 2A-Gehalt von der „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“ eingestellt wurde. Das war eine der Personalstellen, die sich nicht über Zuschüsse „refinanziert haben“, sagen Bremer Hilfe-Mitarbeiter heute. Der Mitarbeiter, der ihre Arbeit vorher gemacht hatte, war versetzt worden und hatte den Job für 2.000 Mark weniger im Monat ganz ordentlich gemacht.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt derweil nicht nur im Beziehungsgeflecht der Bremer Hilfe, sondern auch in dem der Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven. Und das kam so: In der Seestadt gab es einmal drei ehemalige US-Offiziers-Villen, die das Bundesvermögensamt verkaufen wollte. Eine kaufte Volker Tegeler privat, zwei kaufte Volker Tegeler für die AWO Bremerhaven. In dem einem Gebäude wurde ein Kindergarten für die AWO eingerichtet, die Stadt Bremerhaven finanzierte das. Tegeler als AWO beauftragte unter anderem die Bremer Hilfe mit den Arbeiten – und zahlte auf Kosten des Steuerzahlers viel zu viel, fand jedenfalls das Rechnungsprüfungsamt Bremerhaven.
Hartnäckig halten sich Gerüchte, nach denen die ABM-Bautrupps der „Bremer Hilfe“, die die Kindergarten-Villa sanierten, nicht nur dort geholfen haben.
Wenn der Verein Bremer Huilfe nun aufgelöst wird und ein Rest-Vermögen bleiben sollte, dann fällt das, wie kann es anders sein, an die Arbeiterwohlfahrt Bremen. Denn die „Bremer Hilfe“ ist kooperatives Mitglied der AWO, alle Anträge, mit denen die Bremer Hilfe Geld erschwindelt hat, waren von der AWO geprüft und weitergeleitet worden. K.W.
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