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Faustpfand für die Dauerkrise

Dass die Hisbullah-Guerilla die fortgesetzte Militärpräsenz Israels im Grenzgebiet zum Vorwand nahm, Israel zu bekämpfen, konnte Syrien nur Recht sein

von ANTJE BAUER

Bereits in der Wahlkampfphase hat der israelische Ministerpräsident Scharon keinen Zweifel daran gelassen, dass er den Nahostkonflikt nicht durch übermäßige Nachgiebigkeit zu lösen gedenkt. Und wer gehofft hatte, einmal am Ruder, werde es sich der alte Hardliner noch einmal anders überlegen, wurde spätestens an diesem Wochenende eines Schlechteren belehrt. Nachdem am Samstag bei einem Angriff der libanesischen Hisbullah-Guerilla auf den Militärposten in Chebaa ein Israeli umgekommen war, ließ Scharon in der Nacht zum Montag einen Angriff auf eine syrische Radarstation in der Dar-al-Beidar-Region nördlich der Straße Beirut–Damaskus fliegen. Er kostete drei syrische Soldaten das Leben. Es war der erste israelische Angriff auf eine syrische Einrichtung seit 1996. Verteidigungsminister Benjamin Ben Elieser hatte am Sonntag gedroht, Damaskus und Beirut müssten „den Preis dafür bezahlen“, wenn sich die Übergriffe vom Südlibanon aus auf Israel wiederholten.

Dass die Hisbullah vom Iran ideologisch unterfüttert und mit Waffen versorgt wird, dass die syrische Regierung jedoch die Infrastruktur stellt und den Transport der Waffen ins Land ermöglicht, ist kein Geheimnis. Seit sie 1976 ihre Truppen ins Land geschickt haben, um den Bürgerkrieg zu beenden, sind die Syrer zudem die faktischen Herren im Lande. Etwa 30.000 syrische Soldaten sind dort stationiert, in der Mehrzahl im Bekaa-Tal. „Ohne Zustimmung der Syrer bewegt sich hier keine Maus“, sagte ein libanesischer Journalist unlängst der taz.

Die Syrer haben, ebenso wie die Palästinenser, ein Territorialproblem mit Israel, das seit 1967 die syrischen Golanhöhen besetzt hält. In den Verhandlungen hatte Syrien stets nur einen Trumpf in der Hand: die Hisbullah, die in den letzten Jahren den bewaffneten Widerstand gegen die israelische Besatzung des Südlibanons führte und zahlreiche israelische Soldaten tötete. Die Besatzung des Südlibanons war aus diesem Grund äußerst unpopulär in Israel.

Der Rückzug der Israelis aus dem Südlibanon hat die Syrer um ihr Druckmittel gebracht. Dass die Hisbullah die fortgesetzte israelische Präsenz auf den 10 Quadratkilometern angeblich libanesischen Bodens von Chebaa (s. unten) zum Vorwand nahm, um die Israelis weiterhin zu bekämpfen, konnte den Syrern nur Recht sein. So erklärt sich auch, dass ein Jahr nach dem israelischen Rückzug die libanesische Regierung noch immer keine eigenen Soldaten zur Grenzsicherung in den Süden geschickt hat: Der Konflikt dort sollte auf Wunsch der Syrer erhalten bleiben.

Auch auf die syrische Präsenz im Libanon hat der Rückzug Israels jedoch Auswirkungen gehabt. Wortführer der Forderung nach einem syrischen Rückzug ist das Oberhaupt der maronitischen Kirche, Kardinal Nasrallah Sfeir, der im März von 150.000 Christen triumphal empfangen wurde, nachdem er in den USA seine diesbezügliche Meinung kundgetan hatte. Als Gegenpart erweist sich der Generalsekretär der Hisbullah, Hassan Nasrallah, der vergangene Woche vor 300.000 Anhängern die Syrer zum Bleiben aufforderte. Diese Polarisierung hat Kommentatoren in der libanesischen Presse das Schreckgespenst eines neuerlichen Bürgerkriegs heraufbeschwören lassen.

Der seit vergangenem Jahr regierende syrische Staatspräsident Baschir al-Assad scheint anders als sein Vater Hafis die Gegnerschaft zu Israel nicht zum Hauptbestandteil seiner Politik machen zu wollen. Er hat angekündigt, die Wirtschaft und die korrupten Behörden reformieren zu wollen und scheint einem geregelten Rückzug aus dem Libanon nicht ablehnend gegenüberzustehen. Bereits unter seinem Vater waren im letzten Jahr Einheiten zurückgezogen bzw. verlegt worden.

Scharons Angriff auf die syrische Radarstation dürfte Baschir al-Assad zu einem Schulterschluss mit der Hisbullah und einer verstärkten Konzentration auf den israelischen Gegner zwingen. Und auch ein Rückzug aus dem Libanon dürfte jetzt in noch weitere Ferne rücken. Man darf schließlich keine Schwäche zeigen. Innenpolitisch wird das dem Image des noch profillosen Politikers sicherlich nützen. In allen arabischen Ländern wächst der Hass auf Israel. Und moderate Regierungen, etwa die Marokkos oder Jordaniens, geraten zunehmend unter Druck. Für das Verhältnis Syriens zu Israel und für das Verhältnis zwischen Israel und dem Libanon ist dieser letzte Angriff wie der Marsch eines Elefanten durch den Porzellanladen.

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