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Senat spart sich den Osten

Ostbezirke sollen 273 Millionen Mark einsparen. Westbezirke bekommen Nachschlag. Um das Milliardenloch im Etat zu stopfen, plant der Senat auch höhere Mieten für Sozialwohnungen

von ANDREAS SPANNBAUER

Immer deutlicher zeichnet sich ab, wie die Berliner in den kommenden Monaten für das Milliardenloch im Landeshaushalt den Gürtel enger schnallen müssen. Von den Sparplänen der Senatsfinanzverwaltung werden dabei nach Angaben des PDS-Abgeordneten Marian Krüger vor allem die Ostbezirke überproportional betroffen sein.

Von den bevorstehenden Einsparungen im Personalbereich sollen demnach Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg sowie der Rest der Ostbezirke einen Anteil von insgesamt 273 Millionen Mark tragen. Die CDU-regierten Bezirke Neukölln, Spandau, Reinickendorf und Tempelhof-Schöneberg dürfen sich dagegen über einen Nachschlag von 42 Millionen Mark freuen, obwohl diese Bezirke beim Jahresabschluss 2000 einen Überschuss von insgesamt 21 Millionen ausgewiesen hatten. In Bezirken mit schwacher Sozialstruktur wie Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte und Pankow will die Finanzverwaltung dagegen 131 Millionen Markallein im Personaletat einsparen.

Finanzsenator Peter Kurth (CDU) hat bereits angekündigt, dass im öffentlichen Dienst nächstes Jahr „deutlich mehr“ als die vorgesehenen 1.500 Stellen gestrichen werden. Er begründet die Lastenverteilung mit einem „Ausstattungsvorsprung“ der Ostbezirke. Krüger bezeichnet das Konzept dagegen als „wahltaktisches Manöver“. CDU-regierte Bezirke sollten mit Blick auf kommende Wahlkämpfe besser gestellt werden.

Schon jetzt fürchten die Bezirke harte Einschnitte durch den Nachtragshaushalt, den der Senat bis Ende Mai vorlegen will. Denn gespart werden muss auch an Kindertagesstätten, Jugendclubs und Bibliotheken. „Wir rechnen damit, dass wir einzelne Einrichtungen schließen müssen“, sagt der Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Reinickendorf, Wolfgang Brennecke. Bereits seit längerem erhalten die Bezirke nach Angaben von Brennecke zum Teil nur 50 Prozent ihrer Zumessungen, weil ihnen ein Konsolidierungsbeitrag abgezogen wird. Der SPD-Fraktionschef wirft dem Senat daher vor, seine Haushaltskrise „zu einem großen Teil zu Lasten der Bezirke“ auszutragen. Durch die Milliardenverluste der landeseigenen Bankgesellschaft Berlin, die vor allem CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky zu verantworten habe, seien „die Konsolidierungsversuche von 5 bis 6 Jahren flöten gegangen“.

Nach Angaben des Bezirksbürgermeisters von Marzahn-Hellersdorf, Uwe Klett (PDS), legt der Senat den Bezirken auch im Kita-bereich weitere Einsparungen nahe. Es gebe einen Paradigmenwechsel weg von der 100-prozentigen Deckung des Bedarfs an Kitaplätzen, der von Schulsenator Klaus Böger (SPD) und Finanzsenator Kurth forciert werde, sagte Klett. „Das ist mit uns nicht zu machen.“ Er hält weitere Einsparungen der Bezirke nur noch im Personalbereich für möglich. „Wir sind jetzt schon nicht mehr in der Lage, unsere Aufgaben zu erfüllen. Es ist Feierabend.“ Auch die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Bärbel Grygier (PDS), geht davon aus, dass im Jugendbereich Einrichtungen geschlossen werden müssen. Sie hofft auf Synergieeffekte durch die Bezirksfusion, um das Angebot zu sichern.

Laut einer internen Liste der Finanzverwaltung ist zukünftig unter anderem Entgeltpflicht für die Vorschule vorgesehen, die der Landeskasse 16 Millionen Mark einbringen soll. Eine Mieterhöhung im sozialen Wohnungsbau von 50 Pfennig pro Quadratmeter soll Mehreinnahmen von 50 Millionen Mark im Jahr 2002 ermöglichen. Weitere Einsparungen sind durch einen Stellenabbau bei der Polizeiverwaltung und die Abschaffung des 13. Schuljahres geplant.

Außerdem will der Finanzsenator aus dem Topf der Klassenlotterie allein für dieses Jahr 40 Millionen Mark in den Landeshaushalt umleiten. Mit dem Geld wurden bislang Kunst- und Kulturprojekte finanziert. Insgesamt sollen damit bis Ende 2002 rund 1,3 Milliarden Mark mehr in der Landeskasse klingeln. Das unerwartete Defizit des Landeshaushaltes beträgt bis zu 8 Milliarden Mark. Der Senat will sich auf seiner morgigen Sitzung mit der Finanzkrise befassen.

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