: Ganz in Weiß is all you need
„... bis dass der Tod uns scheidet“: Sechs Künstler und Künstlerinnen zeigen in der Luckenwalder Kunsthalle Arbeiten zum Thema Ehe. Aus dem Trauring wird ein goldenes Fangeisen, strahlendes Glück zerfällt in Einzelteile, und Sabrina, 21, fragt: „Muss ich mich schämen, weil ich so schnell weine?“
von ANDREAS HERGETH
Seit August letzten Jahres beherbergt die Luckenwalder Kunsthalle nicht nur zeitgenössische Kunst, sondern auch das Trauzimmer der Stadt. Was liegt da näher, als sich dem Thema Ehe und Ehestiftung auch künstlerisch zu widmen?
In der Ausstellung „... bis dass der Tod uns scheidet“ zeigt die Berliner „Guardini Galerie“ in Luckenwalde Arbeiten von sechs Künstlern, deren Positionen einen weiten Bogen unterschiedlicher Perspektiven spannen: digitale Grafiken, Installationen und Objekte hinterfragen Erwartungen, Gedanken, Hoffnungen und Ängste in Sachen „Hochzeit“ beziehungsweise „Hoch-Zeit“.
Skepsis eint die Künstler. Bloß nicht heiraten, lautet die Devise. Zu viel Nähe kriegt jede Liebe klein. Der als Aktionist und Performer tätige „Der Kolter“ demonstriert dies mit seiner Installation „Nietzsche’s All you need is love“, die eine silbrige Handschelle zeigt, die an ein goldenes Fangeisen gekettet ist.
Doch wo Schatten ist, da ist auch Licht. Spielen doch Kerzen oder Kronleuchter bei Eheschließungen eine große Rolle. Svenja Hehner hat für ihre Arbeit „Ich bin das Licht der Welt“ deshalb einen Lüster entworfen, der aber nicht strahlt wie das junge Glück, sondern noch verpackt in Einzelteilen in Kisten liegt. Man weiß ja vorher nie, ob sich der ganze Aufwand lohnt.
Etwas ratlos blickt man indes hinauf zur Empore in der Kunsthalle. Veronike Hinsberg hat diese mit Leinen umkleidet und Leuchtkörper in den nicht begehbaren Raum gesetzt. Was auf den ersten Blick belanglos wirkt, entpuppt sich bei längerer Überlegung als Sinnbild für einen abgeschlossenen, nicht einsehbaren, weil privaten, intimen Raum. Trauung und Hochzeit sind öffentlich, die traute Zweisamkeit, die der Zeremonie folgt, nicht mehr.
Ingolf Keiner und Stefan Berchtold, zwei Münchner, die sich während des Kunststudiums in Berlin kennen lernten, nahmen Fotos ihrer Auftritte zum Ausgangsmaterial für digitale Grafiken. Das Performance-Duo thematisiert die symbiotischen Aspekte ihrer (Künstler-)Beziehung. Die scheint sich – wie im normalem Leben – mitunter schwer zu gestalten. Keiner balanciert auf einer Kugel, während sich Berchtold die Schläfen massiert. Oder beide schweben in der Luft, ein Koordinatensystem weist auf Entscheidendes: Herz und Seele.
Mit der Installation von Olf Kreisel schließt sich der Reigen. Der 35-Jährige outet sich als gewissenhafter Leser der Super Illu und hat in der Rubrik „Girl der Woche“, für die junge Frauen gern ihre Brust entblößen, Sabrina (21) aus Luckenwalde entdeckt.
Das Konterfei der „angehenden Verkäuferin“ liegt einem Altar gleich auf einem grünen, mit Tannenzweigen umrandeten Podest. Darüber schwebt in Styropor die Frage: „Muss ich mich schämen, weil ich so schnell weine?“ Dazu dreht unaufhörlich ein goldenes Tanzpaar aus Gips auf einem Plattenspieler seine Runden. Das weckt Emotionen und lässt letztlich daran denken, dass schon so manches Drama der menschlichen Existenz in einer groß angelegten Festivität namens Hochzeit seinen Lauf nahm.
Bis 6. Mai., Mi. bis Fr. 16 bis 21, Sa./So. 13 bis 18 Uhr, Kunsthalle Luckenwalde, Am Herrenhaus 2Am 26. April findet in der Kunsthalle um 18.30 Uhr ein Konzert zur Ausstellung statt: Antoine Budde spielt „Musik zu Liebe und Leid“ auf der chinesischen Geige
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen