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Aus der Schweineliga in den siebten Himmel

Der FC Union ist der derzeit erfolgverwöhnteste Berliner Fußballverein. Ende Mai steht er im Pokalfinale, in der nächsten Saison spielt er im Uefa-Pokal. Und morgen soll auch noch der lang ersehnte Aufstieg besiegelt werden – in die 2. Liga. Am meisten freut sich der Sponsor, der nun Geld spart

„Die Kuschelei geht mir langsam auf die Nerven“, hat ein Fan des FC Union Berlin auf die Webseite seines Vereins geschrieben. Ihn stört das Harmoniebedürfnis der Anhänger. Auch das leitende Personal gibt sich derzeit jede erdenkliche Mühe, als zivilisierte Musterknaben in die Fußballgeschichte einzugehen. Sie frönen dem übersteigerten Realismus, was angesichts der letzten Ereignisse wohl die einzig richtige Strategie ist, um einen klaren Kopf zu behalten.

Denn Union wird in der kommenden Saison im Europapokal antreten. Vielleicht gegen den FC Barcelona oder Chelsea London. Noch spielt der Klub aus dem Ostberliner Stadtteil Köpenick in der Regionalliga, in „dieser Schweineliga, wo kein Mensch rentabel arbeiten kann“, wie Präsident Heiner Bertram sagt. Heilfroh ist er, dort unten raus zu kommen. Schon morgen könnte der Club gegen Wilhelmshaven den seit Jahren angestrebten Aufstieg in die 2. Liga sichern. Und am 26. Mai steht Union auch noch im Pokalfinale gegen Schalke 04. Auch wenn die Berliner dort verlieren sollten, dürfen sie den Pokalsieger im Uefa-Cup vertreten. Denn Schalke darf noch eine Liga höher antreten – in der Champions League.

Der Europapokal vernebelte Bertram nur kurz die Sinne. Von einem Ausflug aus der Hölle hinauf in den Himmel erzählte er da, doch wenig später wurde die vermeintliche Luxustour zur Pauschalreise: „Wir sitzen zwar im Fahrstuhl zum siebten Himmel, aber wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht in der Tür verklemmen.“ Das tägliche Geschäft ändere sich überhaupt nicht, betont der Präsident: „Denn wenn es sich ändern müsste, hätten wir etwas falsch gemacht.“ Überdies arbeite der Klub schon längst wie ein Zweitligist. Und dazu gehöre „Härte, Konsequenz und Selbstdisziplin“. Entrüstet teilte Torwart Sven Beuckert mit: „Sie tun fast so, als ob wir kleine Kinder wären von einem Dorfverein, die mal was Großes erreicht haben.“

Trainer Georgi Wassilew, 48, treibt das Understatement auf die Spitze. Die sensationelle Nachricht sei für ihn eine „reine Formalität“. Der Bulgare sagt: „Das hat meine Stimmung nicht sehr verändert. Was wir jetzt nicht vergessen dürfen ist, unser Programm ganz konkret real zu verfolgen.“ Ganz konkret real soll es mittelfristig in die Erste Bundesliga führen.

Zuletzt taperte Union ein wenig auf der Stelle. Vor Jahresfrist scheiterten die Köpenicker knapp am Aufstieg in die 2. Liga. In den Jahren davor stand es noch schlimmer. 1993 wurde der sportlich erreichte Aufstieg in Liga zwei vom DFB wieder aberkannt, weil Union eine gefälschte Bankbürgschaft vorgelegt hatte. 1997 stand der Klub vor dem Bankrott. 35 Gläubiger wollten ihr Geld zurück. Verbindlichkeiten von 10 Millionen Mark hatte man gegenüber dem Finanzamt.

Auch die Erinnerung an die DDR-Zeiten ist noch hellwach. Da galt Union als sympathisches Gegenstück zum Mielke-Spielzeug BFC Dynamo. Und was 1968 geschah, wird im Vorfeld des Pokalfinales allerorten diskutiert: Union gewann das Endspiel um den Pokal des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) gegen Carl Zeiss Jena 2:1, durfte aber international nicht ran, weil der Kalte Krieg durch den Prager Frühling noch frostiger wurde. So erscheint die derzeitige Schicksalswende vielen Anhängern als Wiedergutmachung für eine trost- und glücklose Zeit.

Für Trainer Wassilew sind Spiele im Europapokal nicht neu. Schon als Trainer von Lewski und ZSKA Sofia stand er im internationalen Wettbewerb. Vor acht Jahren warf der „General“, so nennt ihn die Boulevardpresse mit Vorliebe, mit Lewski Sofia die Glasgow Rangers aus dem Landesmeister-Cup. Auch drei der Spieler, die der 54-Jährige zu Union holte, haben schon Erfahrung in Uefa-Pokalspielen. Wassilew hat noch jede Mannschaft beflügelt. An der Sporthochschule Köln schloss er sein Fußballlehrerexamen mit dem Prädikat „Bester Abschluss eines ausländischen Absolventen“ ab. Vier neue Spieler möchte er holen, wobei er einräumt, dass „meine Forderungen im Moment höher sind als die Vorstellungen des Präsidiums“.

Michael Kölmel hat natürlich schon mit Heiner Bertram telefoniert. Kölmel, Chef der Kinowelt AG und Mäzen traditionsreicher Vereine in Not, hat investiert in Union und freut sich nun über das zusätzliche Geld, das zur Verfügung steht. Das Pokalfinale bringt 2,4 Millionen Mark, die erste Runde im Europapokal über eine Million. Ein Darlehen über 8 Millionen Mark, das Kölmel dieses Jahr überweisen wollte, kann nun halbiert werden. Auch Bertram frohlockt: „Kölmel hat sich sehr gefreut, dass wir von der Gehaltsliste runterkommen, wir waren ja immer nur die Kostgänger.“ MARKUS VÖLKER

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