: „Vor Angst geschwitzt“
40 HamburgerInnen fuhren zur EADS-Hauptversammlung nach Amsterdam, um gegen die Airbus-Erweiterung zu demonstrieren ■ Von Gernot Knödler
Auf einen Tag wie diesen hat Peter Matthies gewartet. Der Airbus-Gegner hat beizeiten „ein Häuflein“ Aktien des Airbus-Mutterkonzerns „European Aeronautic, Defence and Space Company“ (EADS) gekauft und fiebert nun darauf, den Konzernherren, die im Mühlenberger Loch vor seiner Nase ihr Werk erweitern wollen, die Meinung zu bürsten.
Mit knapp 40 weiteren Leuten vom Schutzbündnis für Hamburgs Elbregion und dem Verein Hamburgs Elbregion Jork sitzt Matthies in einem Reisebus auf dem Weg zur ersten EADS-Hauptversammlung in Amsterdam. Für den 18-stündigen Mammut-Trip haben die meis-ten von ihnen einen Tag Urlaub genommen. Am Treffpunkt packen sie morgens um vier Transparente, Mineralwasser und Obstkisten in den Bus.
Um sechs Uhr schläft außer einer jungen Frau im Greenpeace-T-Shirt niemand mehr. Ein Spiegel-Artikel über die 250 Kilometer lange Spezialstraße, auf der die Franzosen die in Hamburg hergestellten, riesigen Rumpfsegmente des A 380 nach Toulouse transportieren wollen, macht die Runde.
Matthies rechtfertigt sein Aktien-Päckchen: „Weil ich auf Finkenwerder wohne und grundsätzlich nicht technologiefeindlich bin, wollte ich bei dem A 380 mitreden“, sagt er. Von Airbus hält er viel, vom dem geplanten Riesen-Flieger nichts. „Airbus is a blessing, but A 380 ruins everything“ steht über einem Flugblatt, das er sich gemacht hat. Das Projekt sei technisch und wirtschaftlich „ein gigantisches Glücksspiel“.
Wie Matthies ist der halbe Bus damit beschäftigt, Argumente gegen den neuen Airbus auszutauschen: Ein Flugzeug ohne Markt – warum hätte Boeing sonst von der Verlängerung seines Jumbo-Jets Abstand genommen? Zu schwer für konventionelle Flugzeugpisten. Ein Subventionsgrab mit geringem Beschäftigungseffekt. Wegen der Werkspiste eine Gefahr für die Schiffe auf der Elbe. Eine Gefahr für die Stabilität des Elbhangs und eine Quelle von Fluglärm und Kerosin-Dämpfen. Das Ende des international geschützten Mühlenberger Lochs, das Totenglöckchen für das Alte Land, das Ende des Dorfes Neuenfelde. Matthies wohnt so nahe am Werksgelände, „dass ich sehen kann, wie bei Standläufen die Frauen ihre Kinder ins Haus zerren“.
Den Bus hat der Internationale Tierschutz-Fonds (Ifaw) gechartert. Er unterstützt die Kampagne, weil er den Präzedenz-Fall verhindern will, dass ein Gebiet zerstört wird, das nach zwei EU-Richtlinien und der Ramsar-Konvention zum Schutz von international bedeutenden Feuchtgebieten unantastbar sein müsste.
Vor dem Kongress Zentrum am Rande Amsterdams, in dem die EADS-Aktionäre tagen, hat ein Team von Ifaw Sarg-Atrappen aufgebaut und große Fotos von den bedrohten Tierarten, deren Überlebenschancen durch die Zerstörung des Mühlenberger Lochs weiter verringert werden: Löffelente, Säbelschnäbler, Zwergmöwe, Trauerseeschwalbe, Flussseeschwalbe.
Käte Quast und Margrit Brouwer aus Neuenfelde haben sich umgezogen und stehen jetzt in der traditionellen Festtagstracht der Obstbäuerinnen vor dem Eingang des Kongress-Zentrums. Der niederländische Spruch auf ihrem Transparent lautet übersetzt: „A 380 vernichtet Arbeitsplätze im Obstbau-Gebiet des ,Alten Landes'“.
Wer das Kongress-Zentrum betritt oder verlässt, sieht sich mit einem Dutzend Transparente und einem Pfeifkonzert konfrontiert. Arnold Röken aus Blankenese versucht mit den Managern ins Gespräch zu kommen: „Kennen Sie das Problem in Hamburg mit dem A 3XX?“ Die Daimler-Limousine des für Rüstung zuständigen Vorstandsmitgliedes Thomas Enders fährt nicht gleich vor, so dass er sich einem Gespräch nicht entziehen kann: Röken will wissen, ob Enders die Produktion des Truppentransport-Flugzeuges A 400M verantworten könne. Röken gibt sich unbeeindruckt „Wir stehen dazu, wenn der Markt das fordert“, sagt der blonde Manager.
Drinnen hatten die Aktionäre zuvor wissen wollen, wie die EADS-Beschäftigten stärker am Erfolg des Konzerns beteiligt werden könnten. Vorstandschef Jean-Luc Lagardère anwortet gutmütig, bis ihn eine Belegschaftsaktionärin auf die Unterdrückung der Gewerkschaften im französischen Tochter-Unternehmen Matra anspricht. „Wir tun alle unser Bestes“, sagt Lagardère. Nächste Frage.
Matthies, der einzige kritische Aktionär aus Hamburg im Saal, meldet sich erst gar nicht, weil er sich nicht abwatschen lassen will. Von den laut dpa mehr als eine Million freien AktionärInnen der EADS nahmen gerade einmal 100 an der Hauptversammlung teil. Vielen war der Weg zu weit. „Es gab nicht einmal eine Wegbeschreibung“, schimpft ein Kleinaktionär aus Deutschland.
Die Hauptversammlung geht ratzfatz über die Bühne. Um 13 Uhr sind die Beschlussanträge des Vorstands mit maximal 0,6 Prozent Gegenstimmen angenommen. Noch zwei Stunden lang warten die HamburgerInnen draußen darauf, die Vorstandsvorsitzenden Manfred Bischoff und Jean-Luc Lagardère auspfeifen zu können. Doch die Herren haben länger zu tun.
Also packen die DemonstrantInnen ihre Schilder, Poster und Särge ein und machen sich auf den sechs-einhalbstündigen Heimweg. An der deutsch-niederländischen Grenze müssen die Busfahrer eine halbe Stunde pausieren. Eine Gruppe von BlankeneserInnen steht in der Sonne beisammen und fühlt sich ein wenig unzufrieden. Klar, der Tag war schön. Er hat die Gruppe zusammengeschweißt und den Wunsch befriedigt, was zu tun. Aber ob der Protest wirklich gefruchtet hat, darüber sind sich die Leute nicht so recht sicher.
„Wir müssen mal was Lästiges machen“, sagt Antje Modersitzki, und die Gruppe spinnt ein bisschen rum, was alles so möglich wäre: ein Feuerwerk auf den Pontons der Baufirmen, ein wenig Sand aus dem Mühlenberger Loch schaufeln, sich an den Rammen festschweißen. Die braven BürgerInnen quält der Verdacht, ihr Protest könnte bisher womöglich zu zahm gewesen sein.
Andreas Dinkelmeyer von Ifaw würde das so nicht stehen lassen. In seinem Abschiedswort kurz vor Hamburg spricht er seinen MitstreiterInnen Mut zu: „Wir haben den Airbus-Managern gezeigt, dass sie uns nicht so leicht loswerden.“ Matthies kommentiert das mit den Worten: „Die haben geschwitzt vor Angst.“ Es ist nicht ganz klar, ob er das ironisch meint oder nicht.
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