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„Stimme der Schöffen“

■ Landgericht verurteilt „ehrenhaften Totalverweigerer“ zu Bewährungstrafe

Strenge Sicherheitsvorkehrungen und drakonische Ordnungsstrafen gegen Prozessbesucher, die sich bei der Urteilsverkündung nicht von ihren Stühlen erhoben: Die Atmosphäre im Prozess gegen den Totalverweigerer Jan Reher hatte ein noch härteres Urteil erwarten lassen. Und tatsächlich verurteilte die neue Kammer für Wehrstrafrecht am Landgericht Hamburg den 23-jährigen Studenten wegen „Dienstflucht“ zu sechs Monaten Haft auf Bewährung und hob den Freispruch des Amtsgerichts auf.

Überraschend verständnisvolle Worte jedoch vom Vorsitzenden Richter Michael Kaut, der für das Klima verantwortlich war: Das Gericht sei gezwungen, eine Strafe zu verhängen, da Reher im März 1999 eigenmächtig der Einberufung zum Zivildienst in einem Pflegeheim ferngeblieben sei, „obwohl seine Ziele nicht unehrenhaft sind“, sagte Kaut. Aber nach der „gängigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ (BVerG) sei das Zivildienstgesetz (ZdG) verfassungskonform und daher gebe es „kein Recht, den Zivildienst aus Gewissensgründen zu verweigern“. Kaut: „Dieses Gericht kann sich nicht als Oberverfassungsgericht aufspielen.“ Der Richter empfahl dem Verurteilten, Verfassungsbeschwerde einzulegen. „Dort sollten Sie alle ihre Argumente vortragen, so dass eine Bestrafung, die wir heute aussprechen müssen, künftig nicht mehr möglich ist.“

Dass das Gericht doch die Möglichkeit eines Freipruchs gehabt hätte, hatten zuvor die Verteidiger Detlev Beutner und Jörg Eichel erklärt. Das ZdG sei zwar verfassungskonform, das bedeute aber nicht, dass niemand vom Grundrecht auf Gewissensfreiheit beim „Kriegsdienst ohne Waffen“ Gebrauch machen könne. Verfassungs- gehe vor Strafrecht, Bestrafung sei unzulässig. Ihr Vergleich: Es gebe auch keine Recht auf Unterlassung von Hilfeleistung, dennoch habe das BVerG das Urteil gegen einen Mann aufgehoben, der aus Gewissensgründen seiner Frau eine Blutransfusion nicht verabreichte, um ihr Leiden zu ersparen.

Reher geht in Revision, obwohl auch er vom Urteil überrascht war: „Da spricht die Stimme der Schöffen, die hat die Plädoyers beeindruckt.“ Magda Schneider

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