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Meerschweinchen am Fallschirm

■ Ein Heimtierdiplom für größeres Tier-Verständniss

Meerschweinchen, die im Kinderzimmer Fallschirm springen müssen und danach gebrochene Beine haben – das darf nicht sein, findet Heiner Lenz. Der Studienrat dachte sich also ein „Heimtierdiplom“ aus, um Kindern und Eltern zu zeigen, was das Meerschwein so denkt und fühlt. Tierschutzpräsident Wolfgang Apel und Bildungssenator Willi Lemke (SPD) wollten das auch schon immer wissen und fördern das Projekt zum präventiven Tierschutz und artgerechter Haustier-Haltung mit 10.000 Mark.

„Versuchskaninchen“ sind gerade die Zweitklässler der Grundschule in der Augsburger Straße. Sie sollen fächerübergreifend alles über den richtigen Umgang mit Tieren lernen, damit sie „Freunde für immer“ werden. Am 23. Juni müssen die kleinen Tierfreunde bei einer richtigen „Diplom-Prüfung“ im Tierheim zeigen, was sie alles gelernt haben.

Wie aber kann Klein-Lieschen wissen, wie Hasi und Co. die Welt der Menschen erleben? Nur, wenn Kids selbst mal in einen engen Käfig eingesperrt werden. Da merken sie erst, wie es dem kleinen Liebling geht, ohne genügend Auslauf. Die Projekte zum Tierdiplom sollen natürlich zeigen, wie's besser geht: Den Papa aktivieren, in den Baumarkt marschieren, und nach einer kleinen Bastelstunde kann das Meerschwein in einer Luxusvilla über zwei Etagen wohnen.

Über die Tierwelt sollen die kids auch lernen, was es heißt, „sich riechen zu können“. Beim „Duftroulett“ stellt man ganz schnell fest, dass die eigene Nase weit weniger Gerüche wahrnimmt als das Stubsnäschen des wuscheligen Lieblings. Deswegen: Den Käfig raus aus der miefigen Garage, rein in den sommerlichen Garten. „Hörig“ wie die Meerschweinchen werden die Kids wie folgt: Aus Mammas Küche einen Trichter stibitzt und in die eigenen Ohren gesteckt. Schnell wird klar: Große Ohren hören alles lauter.

Unter der Aktion „Haste keins, mach Dir eins“ gibt's selbstgenähte aus Teddystoff. Auch daran lernt sich probeweise der Umgang mit Tieren. Ingeborg Brender, Lehrerin in der Grundschule Augsburger Straße: „Die Kinder sind ganz begeistert. Die schmusen und spielen mit den Stofftieren, bauen richtige Käfige für die Tierchen.“ Auch in den anderen Fächern lässt sich das Meerschwein gut verkaufen: Schreibübungen, Tierlieder, Plakatmalereien. So mümmelt sich der liebe Wuschel durch alle Fächer.

Doch Pädagogen denken auch an später. Oft hält die Begeisterung für ein Tierchen nur ein paar Wochen, später hat dann Mammi den Hoppel an der Backe. Diplomvater Heiner Lenz will dem vorbeugen mit einfachen Denkaufgaben. „Jetzt bist Du acht und in der zweiten Klasse. Was ist, wenn Du groß bist und in die sechste Klasse gehst?“

Am Ende, wenn alle stolz die Urkunde für das Diplom in den Händen halten, weiß vielleicht mancher kleiner Tierfreund samt Anhang: Es ist ja alles ganz nett mit den Tierchen, aber so ein ordentliches Kressemeerschwein reicht fürs erste.

sand

Ab Schuljahr 2001/2002 kann das Projekt beim Bremer Tierschutzverein Hemmstraße angefordert werden

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