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Der Ausstieg ist rückholbar

Wenn der Atomkonsens unterzeichnet ist, kommt das neue Atomgesetz. Das könnte aber auch wieder geändert werden. Drei Szenarien zum Ausstieg aus dem Ausstieg

BERLIN taz ■ „Manche Visionen von gestern sind heute Müll“, hieß die Anzeigenkampagne, mit der Umweltminister Jürgen Trittin vor den Castor-Transporten im Frühjahr um Verständnis für den Atomkonsens warb. Doch ganz so schnell sind die Visionen von gestern nicht zu entsorgen. Denn auch nach der Unterzeichnung des Atomkonsenses und der Verabschiedung des neuen Atomgesetzes bleibt der Ausstieg aus dem Ausstieg möglich.

Szenario 1: Rot-Grün verliert die nächste Bundestagswahl, die Union regiert. Für den Fall haben beide potenziellen UnionskanzlerInnen, Angela Merkel und Edmund Stoiber, bereits angekündigt, das Gesetz wieder zu ändern. Die Atomwirtschaft will sich diese Option offen halten.

Szenario 2: Rot-Grün wird durch eine große Koalition abgelöst. Ohne einen Kanzler Schröder könnte auch die SPD wieder den Ausstieg aufweichen. Der parteilose Wirtschaftsminister Werner Müller hat bereits erkennen lassen, dass ihm der Konsens nicht einmal in seiner jetzigen Form passt. Gegen neue Meiler sprechen die langen Planungszeiten und die hohen Finanzierungskosten. Da müsste wieder der Staat helfen.

Szenario 3: Eine Kombination aus wirtschaftlichen, politischen und ökologischen Faktoren. Steigen die Gaspreise enorm, wird die Alternative Kernkraft immer lukrativer. Gleichzeitig könnte wie in den Siebzigerjahren eine Debatte um die Autarkie und Abhängigkeit der Energieversorgung losbrechen, falls in Russland die politische Situation instabil wird und die Gaslieferungen unsicher werden. Flankiert würde eine solche Diskussion vom Klimaargument: Im Gegensatz zu Kohle, Gas und Öl verursachen Nuklearkraftwerke kaum klimaschädliche Treibhausgase. Die Erkenntnis des Wuppertal Instituts, dass erst der Ausstieg aus der Kernkraft zu einer anderen und effizienteren Form der Energienutzung und damit zur Reduzierung des Klimaproblems beitragen könnte, bliebe ungehört.

BERNHARD PÖTTER

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