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„Klaus Wowereit musste jetzt reagieren“

Der PR-Berater Axel Wallrabenstein über das Outing des SPD-Kandidaten und die Auswirkungen auf den Berliner Wahlkampf

taz: Der Berliner SPD-Spitzenkandidat Klaus Wowereit hat sich als erster schwuler Spitzenpolitiker geoutet. Wird ihm das im Wahlkampf schaden oder nützen?

Axel Wallrabenstein: Zunächst einmal war es ein mutiger Schritt, der Respekt abnötigt. Sicher wird es Leute geben, die ganz platt sagen: Das ist ein Schwuler, der mit den Kommunisten an die Regierung will. Andererseits wird ihm seine Geste bei Schwulen und Lesben viel Zustimmung bringen. Aber das ist eine Klientel, die sowieso zu großen Teilen SPD oder Grüne wählt.

Der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck sagt, Wowereit sei für den Wahlkampf innerlich freier geworden.

Das glaube ich nicht. Ich kenne Klaus Wowereit schon länger. Er ist in dieser Frage mit sich im Reinen und hat da nie ein Problem gesehen. Aber er musste jetzt reagieren, weil er wusste, dass das Thema aufgrund seiner Spitzenkandidatur öffentlich wird. Gut: Es mag schon eine gewisse Befreiung sein, wenn man vor dem Parteitag steht und sagt: „Ich bin schwul.“ Auch wenn es vielleicht ein Tick zu viel war, dass er hinzugefügt hat: „Und das ist gut so.“ So etwas löst auch Widerstand aus.

Andererseits wird ein Kandidat, den manche Beobachter bislang als blass bewertet haben, plötzlich interessant.

Was heißt interessant? Es war sicher ein bisschen naiv, dass Wowereit gesagt hat: „Und damit ist das Thema jetzt wohl erledigt.“ Ganz im Gegenteil. Alle Boulevardzeitungen wollen nun wissen: Wer ist der Mann an seiner Seite?

Es gibt heterosexuelle Politiker, die mit ihrem Familienleben schon ganze Wahlkampagnen bestritten haben.

So etwas kann man in ruhigeren Zeiten machen. Berlin hat große Probleme, und aufgrund dieser Schwierigkeiten wird das Thema Outing schnell in den Hintergrund treten. Es wird eine sehr harte, aber faire Kampagne geben.

Wenn es so einfach ist: Worauf warten andere schwule Spitzenpolitiker?

Privatleben und Politik sind verschiedene Geschichten. Das muss jeder für sich entscheiden – auch in Hinblick auf den Partner.

Sie glauben nicht, dass Wowereits Schritt eine Outing-Welle auslöst?

Nein.

Können Sie sich vorstellen, dass in Berlin auch die CDU mit einem offen schwulen Spitzenkandidaten in den Wahlkampf zieht?

Selbstverständlich. Es wird doch normalerweise jemand Spitzenkandidat, den man kennt – und bei dem zumindest die Meinungsführer in der Partei wissen, was los ist. Von daher würde das nicht zu großen Überraschungen führen. Schwule Politiker oder lesbische Politikerinnen gibt es ja in allen Parteien.

Bei CDU und FDP sind sie sogar häufiger in Spitzenpositionen anzutreffen als bei der SPD. Gibt es dafür einen besonderen Grund?

Ich weiß nicht, ob es in der CDU und in der FDP mehr schwule Politiker gibt – aber es gibt auf jeden Fall attraktivere.INTERVIEW: RALPH BOLLMANN

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