SCHRÖDER BRICHT KOALITIONSVERTRAG: KEIN GLEICHSTELLUNGSGESETZ: Modernisierung, ade!
„Wir werden verbindliche Regelungen zur Frauenförderung einführen, die auch in der Privatwirtschaft Anwendung finden müssen“, steht im Koalitionsvertrag. Gestern nun wurde der Bruch des Vertrags bestätigt: Der Kanzler sagt ab, von der Regierung wird kein Gesetz kommen. Schröder bleibt auf der Linie der Unternehmerverbände, die es nicht einmal zu einer Selbstverpflichtung brachten. Verbände, muss man betonen, denn einzelne Unternehmen zeigen sich immer wieder gewillt, ihre weiblichen Angestellten zu fördern. Längst haben diese Firmen ausgerechnet, dass sie sparen, wenn sie es qualifizierten Frauen ermöglichen, aufzusteigen oder nach der Babypause im Betrieb zu bleiben; dass gemischte Teams effektiver arbeiten; dass auch männliche Spitzenkräfte Zeit für ihre Familie haben wollen. Längst ist es zudem den Global Players in Deutschland peinlich, wenn etwa amerikanische Kooperationspartner sich verwundert zeigen, dass sie immer nur auf eine Riege dunkler Anzüge treffen.
Doch die Verbände bemühen sich nicht einmal, zu argumentieren. „Zu bürokratisch“ sei das Gesetz, dessen einzige verwaltungstechnische Vorgabe besagt, dass die Firmenleitung einmal nachzählt, wer eigentlich auf welchem Posten sitzt. Ansonsten ist bei Umstrukturierungen nur zu bedenken, wie man Frauen besser berücksichtigen oder fördern kann. Was das Gesetz verlangt hätte, ist also eher ein Perspektivwechsel als bürokratische oder kostenträchtige Maßnahmen.
Die Verweigerung der Verbände lässt einzig den Schluss zu, dass dort innovationsfeindliche Betonköpfe am Werk sind. Die Politik reagiert nach dem Prinzip Kuhhandel: Teilzeit- und Betriebsverfassungsgesetz hat die Wirtschaft hingenommen, dafür bekommt sie bei der Frauenförderung Nachlass. Dummerweise geht es bei diesem Gesetz um Modernisierung – nämlich um die Förderung der Fachkräfte, die als besonders qualifiziert gelten: Frauen. Außerdem wäre es demografisch nicht uninteressant, wenn Frauen neben dem Beruf auch noch Kinder bekommen könnten. Schröder, der Modernisierer, hat versagt. Ein Lob der Gewaltenteilung: Nun ist das Parlament an der Reihe.
HEIDE OESTREICH
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