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Viel Arbeit für fast nichts

Streik am Reiherstieg: Seeleute wollen Mindest-Heuer  ■ Von Kai von Appen

Die Arbeitsbedingungen sind eine Katastrophe, die Heuern skandalös: 532 Dollar im Monat bei einer 48-Stundenwoche und 105 einkalkulierten unbezahlten Überstunden. Davon behält die Reederei dann noch 20 Prozent ein, um die Seeleute an sich zu binden. Für die 21 philippinischen der insgesamt 28 Besatzungsmitglieder der „Free Atlas“ war nach dem Festmachen am Pier im Reiherstiegkanal am Dienstagabend das Maß voll. Sie traten nach einem Aufruf der „Internationalen Transportarbeiter Föderation“ (ITF) in den Streik, um die ITF-Standardheuer von 2458 Dollar durchzusetzen.

Der 20.000 Tonnen Massengutfrachter der Reederei „Free Ships SA“ aus dem griechischen Piräus fährt unter der Billigflagge der Marshall-Inseln. Das Schiff hat Hamburg angefahren, um am Reiherstieg bei Habena Getreide zu laden. „Das Wasser an Bord ist so verdreckt, dass Besatzungsmitglieder erkrankt sind“, sagt ITF-Inspekteur Hartmut Kruse. „Ebenso besitzen die Mannschaftskabinen keine funktionierenden Heizungen“, hat er beobachtet.

Bei Streikbeginn versuchte der Kapitän auf Anweisung des Reeders zunächst die harte Tour und wollte Kruse den Kontakt zu den Seeleuten mittels Polizei verbieten. Doch die klärte den Kapitän über die Rechtslage auf, so dass der ITF-Inspekteur inzwischen an Bord gelangte und die Seeleute – trotz der Androhung von Repressalien – ihren Arbeitskampf fortsetzen.„Im Moment gibt es noch kein Angebot“, sagt Kruse. Aber er hofft. Denn da der Kapitän nicht die Mindestbesatzungsstärke von 16 Mann erreicht, würde dem Schiff auch keine Auslauferlaubnis erteilt.

Die ITF führt seit Jahren eine Kampagne gegen Billigflaggenschiffe durch. Erst im vorigen September waren im Rahmen einer Aktionswoche mehrere Billigflaggen aufgesucht worden, um ITF-Heuerverträge durchzusetzen. Da die oft eingeschüchterten Besatzungsmitglieder selbst den Mut zum Streik nicht immer aufbringen, – anders als bei der „Free Atlas“ – halfen bei den Aktionstagen die Hafenarbeiter nach: sie boykottierten das Be- und Entladen der Pötte.

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