: Schily gegen Gipfelstürmer
Nach den Krawallen in Göteborg will Innenminister Otto Schily seine Amtskollegen vom deutschen Sicherheitskonzept überzeugen: Reiseverbote sollen Proteste beim G-8-Gipfel in Genua verhindern
von HEIKE KLEFFNER und NICOLE MASCHLER
Der nächste Gipfelsturm steht bevor. Wenn die Staats- und Regierungschefs der G-8-Staaten Mitte Juli im italienischen Genua zusammenkommen, werden ihnen vermutlich über 100.000 Demonstranten rings um den Tagungsort gegenüberstehen. Mit „Kreativität und Unberechenbarkeit“ wollen Gruppen wie „tutte bianche“ – Markenzeichen schneeweiße Overalls – die G-8-Konferenz empfindlich stören. Ihre politischen Ziele: Legalisierung so genannter illegaler Migranten und Abschiebestopps für Asylsuchende.
Nach den gewalttätigen Ausschreitungen beim EU-Gipfel in Göteborg wollen die Regierungschefs eine Wiederholung auf jeden Fall verhindern. Nach Polizeiangaben waren dort seit Donnerstag rund 570 Demonstranten festgenommen worden, darunter mindestens fünf Deutsche. Unter den drei am Freitag durch Polizeischüsse verletzten Personen war ebenfalls ein Deutscher.
Als Reaktion auf die gewalttätigen Proteste haben die Innenminister der EU-Länder angekündigt, eine Arbeitsgruppe zur Repression und Prävention bei künftigen Gipfelprotesten einzuberufen. Ihr sollen die Ressortchefs der vergangenen, derzeitigen und kommenden EU-Präsidentschaften – Frankreich, Schweden und Belgien – angehören. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) will mit seinen Amtskollegen bei einem Treffen im Juli beraten, „ob das deutsche Sicherheitskonzept gegen gewalttätige Hooligans bei der Fußball-EM 2000 Vorbild sein kann“. Im vergangenen Jahr hatte der Innenminister Reisebeschränkungen für bekannte Hooligans per Passvermerk durchgesetzt.
In Göteborg habe sich gezeigt, so Schily nun, dass „Banden von Gewaltkriminellen systematisch versuchten, politische Gipfeltreffen zu stören“. Da diese grenzüberschreitend agierten, müsse auch die Bekämpfung international abgestimmt werden. Rückendeckung bekam Schily vom Kanzler. Auch Gerhard Schröder (SPD) dachte am Wochenende laut über Ausreiseverbote für „offensichtlich gewaltbereite Demonstranten“ nach.
Bereits im Vorfeld des EU-Gipfels hatten die Deutschen mit ihren schwedischen Kollegen zusammengearbeitet. So habe das Bundeskriminalamt bei Landesämtern und dem Bundesnachrichtendienst Informationen über Demoteilnehmer gesammelt und zudem einen Verbindungsmann nach Göteborg entsandt, sagte gestern ein Sprecher des Innenministeriums in Berlin. Kritik an der deutschen Informationspolitik wies er zurück. „Die deutschen Sicherheitsbehörden haben alles getan, um ihre Erkenntnisse den schwedischen Sicherheitsbehörden zu übermitteln“, so der Sprecher. Die neue italienische Regierung unter Silvio Berlusconi hat aus dem Gipfel-Desaster in Göteborg offenbar bereits ihre Schlüsse gezogen. Sie will nach Informationen der britischen Zeitung Observer beim G-8-Gipfel alle öffentlichen Zufahrtswege nach Genua sperren. Geplant sei, den Flughafen, die Hauptbahnhöfe der Stadt sowie wichtige Autobahnabfahrten zu schließen. Flüge nach Genua sollen entweder gestrichen oder nach Turin umgeleitet werden. Offen bleiben lediglich wenige so genannte Zufahrtspunkte, an denen Carabinieri alle Reisenden kontrollieren.
Viel Vertrauen scheinen die Sicherheitsbehörden in das Konzept indes nicht zu haben. Der italienische Corriere della Sera spekulierte jedenfalls bereits über eine Verlegung der Tagung auf einen Luxusdampfer, der die Gipfelteilnehmer ungestört auf dem Mittelmeer schaukelt.
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