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Doch kein Verbrecher

■ Generalbundesanwalt Nehm entlastet Schill vom Vorwurf der Rechtsbeugung

In rund zwei Wochen wird der Bundesgerichtshof (BGH) über die Revision von Ronald Schill gegen seine strafrechtliche Verurteilung wegen Rechtsbeugung entscheiden. Folgt er dem Antrag von Generalbundesanwalt Kay Nehm, wird Schill von dem Vorwurf freigesprochen, ein Verbrecher zu sein: Nehm beantragte Freispruch für den Hamburger Richter, da das im Oktober 2000 vom Hamburger Landgericht gefällte Urteil „keinen Bestand haben kann“.

Das Landgericht hatte den Richterkollegen wegen Rechtsbeugung zu 12.000 Mark Geldstrafe verurteilt. Schill hatte im Jahr zuvor, ehe er schließlich ans Zivilgericht versetzt wurde, als Strafrichter während eines Prozesses zwei Zuschauer festnehmen und fast drei Tage in Haft sitzen lassen. Deren umgehend eingelegte Beschwerde ließ er zwei Tage unbearbeitet auf seinem Schreibtisch liegen. „Es ging Ihnen darum, die Sache zu verzögern“, warf das Landgericht dem damals angeklagten Schill vor. „Sie waren als Richter erfahren genug, zu wissen, dass eine Haftsache eilig zu bearbeiten ist.“

Bundesanwalt Kay Nehm hatte nicht die Aussagen der zahlreichen ZeugInnen zu würdigen, sondern allein darüber zu befinden, ob das Landgericht bei seiner Entscheidung einen Rechtsfehler begangen habe. Den sieht er darin, dass das Gericht Schill die Verzögerung strafrechtlich nicht hätte vorwerfen dürfen: Zur eiligeren Aktenbearbeitung wäre er nur verpflichtet gewesen, wenn schon die Inhaftierung der Prozesszuschauer rechtswidrig gewesen wäre und ihn dadurch zum Garanten einer schnellen Beendigung des Zustandes gemacht hätte. Zwar weise die Inhaftierung formale Mängel auf. Als „pflichtwidrig“ seien diese jedoch nicht zu werten.

Schill nahm den Antrag Nehms mit „einer gewissen Genugtuung“ zur Kenntnis. Der Begründer der „Partei Rechtsstaatlicher Offensive“ nutzte die Gunst der Stunde, Wahlkampf zu machen: Es habe sich ein weiteres Mal der „Kollaps“ der Hamburger Justiz offenbart, die dank des rot-grünen Senats personell überlastet sei und durch seine strafrechtliche Verfolgung auch noch „Missbrauch“ betrieben habe. Sein Anwalt Walter Wellinghausen erwägt nun, Anzeige wegen „Verfolgung Unschuldiger“ zu erstatten. Elke Spanner

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