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Ein Herz für Sozialmieter

Der rot-grüne Senat beschließt, weitere 60.000 Wohnungen von der Fehlbelegungsabgabezu befreien. 9.000 Haushalte in Kreuzberg, Neukölln und Mitte werden ab Juli davon profitieren

von UWE RADA

Der neue Senat kann nicht nur sparen, er kann auch auf Einnahmen verzichten. Auf der gestrigen Senatssitzung kam die rot-grüne Koalition überein, weitere 60.000 Sozialwohnungen von der Fehlbelegungsabgabe zu befreien. Davon würde etwa 9.000 Haushalte profitieren, sagte Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD). Die Fehlbelegungsabgabe wird von Haushalten erhoben, die die Einkommensgrenzen für den sozialen Wohnungsbau überschreiten.

Von der Abgabe befreit werden nun die Sozialwohnungen in den so genannten Gebieten der Kategorie II, für die in der Vergangenheit bereits der Nachweis eines Wohnberechtigungsscheins entfallen war. Das ist vor allem der Werner-Düttmann-Platz in Kreuzberg und die Ackerstraße in Mitte. Andere Gebiete, für die die Abgabe bereits abgeschafft war, wurden erweitert, so die Rollbergsiedlung in Neukölln, die Heinrich-Zille-Siedlung in Mitte, der Mehringplatz in Kreuzberg oder Britz-Süd in Neukölln. Nunmehr müssen Berlins Mieter für 85.000 der insgesamt 264.000 Sozialwohnungen keine Fehlbelegungsabgabe mehr zahlen. Die Regelung tritt am 1. Juli in Kraft und soll bis 2006 gelten.

Mit der gestrigen Entscheidung setzt Rot-Grün eine Politik fort, die der CDU-Bausenator Jürgen Klemann bereits im April 1998 begonnen hatte. Damals hatte Klemann die Fehlbelegungsabgabe für 17.000 Wohnungen aufgehoben, gegen den Willen der SPD, die zu dieser Zeit noch den Sinn dieser Maßnahme bezweifelt hatte. Doch schon kurze Zeit später hatten sich CDU und SPD geeinigt, die Abgabe schrittweise abzubauen. Eine generelle Abschaffung, wie von der CDU gefordert, war und ist allerdings nicht möglich, da die Fehlbelegungsabgabe bundesrechtlich geregelt ist. Ausnahmen gibt es nur im Rahmen einer Ausweisung der Gebiete als Problemquartiere. Strieder erklärte aber, sich auf Bundesebene für eine Änderung der Gesetzgebung einzusetzen.

Die PDS begrüßte gestern die Entscheidung des Senats. Der wohnungspolitischer Sprecher der PDS, Bernd Holtfreter, forderte sogar, auch die restlichen Sozialwohnungen von der Fehlbelegungsabgabe zu befreien. Allerdings müsse diesem Schritt dann die Diskussion um einen generellen Umgang mit dem sozialen Wohnungsbau folgen. Da viele Wohnungen demnächst aus der Förderung herausfallen, drohen vielen Mietern extreme Mietsteigerungen.

Von den Grünen war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. In der Vergangenheit hatte die grüne Baupolitikerin Barbara Oesterheld die Abschaffung der Abgabe immer wieder kritisiert. Der Senat müsse mit den Wohnungsbaugesellschaften vielmehr über bauliche Verbesserungen in den Gebieten verhandeln, lautete ihre Position.

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