: Markt katholisch kritisieren
Vor dem Gipfeltreffen der größten Wirtschaftsnationen: Kirche fordert Finanzsteuer
ROM taz ■ 3.000 Menschen trafen sich am Samstag in Genua zur ersten Großveranstaltung gegen das bevorstehende Gipfeltreffen der reichsten Wirtschaftsnationen (G8). Zu hören waren vertraute Argumente gegen eine Globalisierung, die den weltweiten Gegensatz von Arm und Reich verschärft, vertraute Forderungen auch nach Schuldenerlass für die Dritte Welt und Einführung der „Tobin-Tax“, die die internationalen Finanzmärkte besänftigen soll. Weniger vertraut war das Forum.
Nicht linke Organisationen und Umweltschutzgruppen hatten zum Treffen eingeladen, sondern 60 Vereine, die sich wie das Who is who des italienischen Katholizismus lesen – von der Azione Cattolica über die Pfadfinder zum Verband der Missionsschwestern. Und der bejubelte Hauptredner war Genuas Kardinal Dionigi Tettamanzi. Während es im Saal Pfiffe für Umberto Vattani gab, den Chefdiplomaten des italienischen Außenministeriums, zeigte sich Vittorio Agnoletto vom Genoa Social Forum vollauf zufrieden. Fast deckungsgleich seien die Forderungen der Katholiken mit denen der im Forum vereinten Anti-G8-Protestfront. Und sogar die „tute bianche“, die „weißen Overalls“ aus den Autonomen Zentren, entdecken die Kirche als Gesprächspartner: Im süditalienischen Acerra traf sich Luca Casarini, Sprecher der militanten Gruppe, mit dem dortigen Bischof zum Meinungsaustausch.
Auch die Regierung ebenso wie die Polizeiführung predigen seit Wochen Dialogbereitschaft mit den G8-Gegnern. De facto aber setzt der Staat in den letzten Tagen auf Einschüchterung. Die Polizei – sie ist jetzt schon in Genua an jeder Ecke präsent – rühmt sich, stündlich 50 Personenkontrollen durchzuführen.
Zudem wurden gegen einige Autonome aus Mailand schon Platzverweise für Genua ausgesprochen. Die „tute bianche“ reagierten am Samstag mit einer improvisierten Demonstration im Zentrum Genuas und zogen bewaffnet mit Wasserpistolen durch die Stadt.
Am Freitag schon war es zum ersten G8-Knüppeleinsatz gekommen, allerdings nicht in Genua, sondern in Neapel. Im dortigen Hafen hatte sich eine Hand voll Demonstranten zum Sit-in vor dem Luxusliner „European Vision“ versammelt, der in Genua die Staats- und Regierungschef beherbergen wird. Als eine Delegation dem Kommandanten des Schiffs einen symbolischen Platzverweis übergeben wollte, trieben Polizei und Carabinieri die Protestierer mit dem Schlagstock auseinander. M. BRAUN
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