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Singen kann jeder

Kein Kinderquatsch: Beim Internationalen Chorfestival im Michel treffen sich Kinder aus Mexiko, China und Ungarn  ■ Von Philipp Sidhu

Jeden Samstagnachmittag findet der „Kinderquatsch mit Michael“ im Fernsehen statt. Moderator Michael Schanze bringt dann kleine Kinder zum Singen. Wo der Sinn dieser Quälerei ist, bleibt unklar. Weder den Zuschauern, noch den Kindern scheint die Tortur Freude zu bereiten. Ganz anders als bei der Vorstellung der teilnehmenden Chöre beim Internationalen Kinderchorfestival, das dieses Jahr in Hamburg stattfindet.

Die Jungen vom Bangkok Chris-tian College Boys Choir aus Thailand waren nicht zu bremsen. „Geplant war, dass sie erst am Ende singen“, flüstert Dörte Schmidt, eine der Organisatoren, „aber die singen offenbar so gerne.“ 277 Kinder aus China, Thailand, Ungarn, USA und Mexiko und die „Hamburger Als-terspatzen“, werden am Mittwoch in der Musikhalle und am Donnerstag in der Michaelis Hauptkirche, jeweils um 18 Uhr, die musikalischen Traditionen ihrer Heimatländer zum Besten geben.

Leichte Disharmonien gab es bei der Pressekonferenz: „Am Musikunterricht wird doch am ehesten gespart, und ich bin nicht länger bereit, diese Streichungen untätig hinzunehmen, und möchte mit der Ausrichtung dieses Festivals beweisen, was Kinderchöre leisten können“, erklärte Michael Hartenberg vom Musikseminar Hamburg und einer der Festivalorganisatoren. Helge Adolphsen, Pastor der St. Michaelis Gemeinde und Chorleiter, stimmte in den Kanon ein: "Die musischen Fächer kommen in den Schulen viel zu kurz, und sie sind eigentlich Grundbestandteil der Bildung.“ Dabei „ist die Stimme das elementarste Instrument, und singen kann wirklich jeder“, findet Organisatorin Hannah Hartenberg. Den angereis-ten Chören bestätigte Adolphsen, der seinen „Michel“ als Musiktempel bezeichnete, eine erstaunliche Professionalität.

Die kommt nicht von ungefähr. Während ihre fussballspielenden Altersgenossen höchstens mal ein Turnier in Österreich besuchen, reisen die Kinderchöre für ihre Wettkämpfe um die ganze Welt. So absolvierten die „Hamburger Alsterspatzen“ zuletzt ein Konzert in Chicago. Doch als „besonders schön, weil es nicht mit einem Wettbewerb verknüpft ist“, beschreibt Jürgen Luhn, der Leiter des Hamburger Knabenchors, das Festival. Glaubt man einer Studie der Universität Tampa, dann können Chöre mehr als nur zur musischen Bildung beitragen. 70 Prozent niedriger, so die Studie, sei der Drogenkonsum bei den Chorknaben im Vergleich zu ihren Altersgenossen. Luhn behauptet zudem, dass seine Alsterspatzen schneller lernten und gegenüber fremden Kulturen aufgeschlossener seien.

Inzwischen hören die kleinen Thais interessiert den Ungarn zu, denn „die sind einfach gut“, zwinkert Hartenberg. Das finden auch die Jungs aus Thailand und klatschen begeistert Beifall. Auch Michael Schanze war mal Chorknabe. Im Windsbacher Knabenchor.

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