piwik no script img

Polterabend in Karlsruhe

Die Union war auf die Entscheidung der Karlsruher Richter nicht vorbereitet. Jetzt geht die Diskussion über die Familienpolitik erst richtig los

von JAN FEDDERSEN

In Bayern und Sachsen muss die politische Elite sehr selbstbewusst davon ausgegangen sein, dass die Karlsruher Richter ihrem Antrag stattgäben – und die zum 1. August geplante Einführung der eingetragenen Lebenspartnerschaft stoppen würden. Hätten die auf Recht und Gesetz stets so bedachten Juristen jener Länder sonst versäumt, die landesrechtlichen Voraussetzungen für die Umsetzung des vom Bundestag beschlossenen Rechts zu schaffen? Gestern noch teilte Bayerns Justizminister Manfred Weiß großschnäuzig mit, es gebe in seinem Land keine „Schubladenentwürfe“.

Das war offenbar falsch kalkuliert. Beide Landesregierungen glaubten offenbar, dass der Erste Senat in Karlsruhe der Tradition antihomosexueller Rechtsprechung folgen würde – wie er es in den Fünfzigerjahren getan hatte, als es um die Entschädigung für homosexuelle Nazi-Opfer ging. Was für ein Irrtum. Jetzt will der Lesben- und Schwulenverband die Landesregierungen von Bayern und Sachsen auf dem Klageweg zwingen, bis zum 1. August den behördlichen Rahmen für eingetragene Lebenspartnerschaften zu schaffen.

Unter sozialdemokratischen und grünen Politikern machte sich gestern eine gewisse Schadenfreude breit über das Scheitern der christdemokratischen „Blockadeanstrengung“, wie der grüne Bundestagsabgeordnete Volker Beck formulierte: „Bayern ist auf der ganzen Linie gestoppt worden.“

Das mag auch eine Reaktion auf die eigene Überraschung gewesen ein, die sich nach dem Richterspruch einstellt. So deutlich hatte das höchste Gericht noch nie konzediert, dass Homosexuelle in ihrer Lebensform diskrimiert seien.

Die CSU jedoch gibt sich nicht geschlagen. Johannes Singhammer, Bundestagsabgeordneter aus Bayern, sprach gestern von einem „schwarzen Tag für die Familien in Deutschland“. Dieser Auffassung ist auch die lesbische PDS-Bundestagsabgeordnete Christina Schenk. Sie lehnt die Homoehe als „Sondergesetz“ für Lesben und Schwule ab – und stritt deshalb neben dem CSU-Mann Norbert Geis am vehementesten gegen das neue Recht. Auch Thüringens Justizminister Andreas Birkmann (CDU) bedauerte das Scheitern des Antrags – der, wie er beteuerte, „keine Benachteiligung auf Grund sexueller Orientierung“ bedeutet habe. Er hofft nun auf das Hauptverfahren.

Die „Lesben und Schwulen in der Union“ (LSU) erwarten dagegen, dass der Karlsruher Spruch seiner Partei „eine Hilfe“ ist, um sich von familienpolitischen Vorstellungen der Fünfzigerjahre zu verabschieden. „Familie ist da, wo auch Kinder sind. Und die Wirklichkeit sagt uns doch, dass Lesben und Schwule auch Kinder haben“, sagt der LSU-Bundesvorsitzende Martin Herdieckerhoff.

Das Leben geht ohnehin weiter. Und das heißt: Am 1. August werden eingetragene Lebenspartnerschaften geschlossen – und zwar in 8 von 16 Bundesländern auf dem Standesamt. In Hessen, Schleswig-Holstein und Brandenburg darf sich jede Gemeinde aussuchen, welches Amt sie mit dieser Aufgabe betraut, in Nordrhein-Westfalen entscheiden darüber die Bezirksregierungen. Baden-Württemberg und Thüringen haben angekündigt, noch rechtzeitig eine Regelung zu schaffen. Nur Sachsen und Bayern haben gar keine Ausführungsbestimmung vorbereitet.

Dem Namen nach mögen sich diese Partnerschaften noch von heterosexuellen Ehen unterscheiden – vom Symbolwert und der Praxis her werden sie sich mit Polterabend und anschließendem Schwoof kaum noch als „Sondergesetzausführung“ erkennen lassen.

Und die Diskussion ist längst nicht am Ende. Zwar muss das Verfassungsgericht erst noch in der Hauptsache entscheiden – doch die Homos der Union fordern schon jetzt, langfristig die echte Ehe für Homosexuelle zu öffnen. Und die Grünen kündigen derweil ein nächstes Projekt aus ihrer Erfolgsabteilung Homosexuelles an: ein Antidiskriminierungsgesetz.

Bei homosexuellen PartnerInnen in spe gingen gestern schon einmal die Sektkorken in die Luft. Bei Schwulen und Lesben, die in „Homoehen“ das patriarchale Virus in der Gay Community einsickern sehen, herrschte dagegen Mineralwasserstimmung. Und in der Union begann das Grübeln: Wie kommen wir in der neuen Mitte an, ohne unsere konservative Kundschaft zu verprellen?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen