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Die Salonnazis drängen in den Stadtrat

Die rechte Szene in Düsseldorf fährt zweigleisig: Die Strategen geben sich moderat, und die Skinheads schlagen zu

DÜSSELDORF taz ■ Trotz aller Bürgerproteste – die Rechtsradikalen sind in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt äußerst rege. Rechte Gewalt gehört in Düsseldorf zur traurigen Realität. Erst im Juni überfielen Skinheads die Besucher einer Studentenkneipe. Der 18-jährige Neonazi Sven R. verletzte mit dem Messer drei Menschen. Er gehört einer Skinhead-Clique an, die seit einiger Zeit im Düsseldorfer Süden ihr Unwesen treibt. Sie soll im September vergangenen Jahres eine Schaufensterscheibe des linken Buchladens BiBaBuze eingeschlagen haben.

Enge Verbindungen unterhält die Gruppe zur „Freien Kameradschaft Düsseldorf“, die sich zu den „Grundsätzen der nationalsozialistischen Revolution“ bekennt und bei fast allen überregionalen Neonaziaufmärschen der letzten Jahre vertreten war. Ihr Anführer Sven Skoda ist Betreiber des „Nationalen Infotelefons Rheinland“. Außerdem fungiert er als verantwortlicher Redakteur des Düsseldorfer Beobachters, der angeblich in einer Auflage von 1.933 Stück gedruckt wird. „Glanzlicht“ der letzten Ausgabe: ein Interview mit dem Führer der amerikanischen „NSDAP/AO“, Gary Lauck. Zu dessen Ehren will Skoda demnächst auf die Straße gehen. Allerdings nicht in Düsseldorf, sondern in Köln. Das Motto des für den 8. September geplanten Aufmarsches: „Mein Freund ist ein Ausländer – Solidarität mit Gerhard Lauck“.

Gute Kontakte haben die Nazi-Skins um Sven R. auch zu den „Jugendoppositionsstammtischen“ um den ehemaligen Landessprecher der Jungen Nationaldemokraten in Hamburg, Jan Zobel. Zu Zobels Leidwesen. Denn der gebürtige Südafrikaner will nicht mehr direkt mit den Schmuddelnazis in Verbindung gebracht werden, sondern nur noch an ihnen verdienen. Gemeinsam mit Mehrheitsgesellschafter Torsten Lemmer betreibt er das Plattenlabel Creative Zeiten, das Nazirock und Skinheadmusik vertreibt. Die Musikfirma hält die Rechte an mehr als 100 Produktionen bekannter Skinheadbands wie Kraftschlag, Sturmwehr und 08/15.

Gesellschaftliche Anerkennung hat ihm und Zobel das nicht eingebracht, nur die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ein unbefriedigender Zustand gerade für den 31-jährigen Lemmer, der von einer Rückkehr auf die politische Bühne Düsseldorfs träumt und 2004 in den Stadtrat einziehen will. Dem amtierenden CDU-Oberbürgermeister Joachim Erwin hat er bereits eine Liebeserklärung per CD zukommen lassen: „Erwin - Du und ich für immer.“

Nachvollziehbare Verbindungen zur Glatzenszene stören da empfindlich. Andere Kontakte sind hilfreicher: zum Beispiel die zu Christoph Schlingensief. Der Regisseur verpflichtete Lemmer, Zobel und drei weitere ihres Clans als vermeintliche „Nazi-Aussteiger“ für sein Theaterprojekt „naziline.com/Hamlet“ – und öffnete ihnen damit Türen. Während Lemmer im Düsseldorfer Rathaus immer noch Hausverbot hat, führte ihn der grüne Bundestagsfraktionschef Rezzo Schlauch begeistert durch den Berliner Reichstag.

Inzwischen haben Lemmer, Zobel und Schlingensief auch noch ein „Aussteigerprojekt“ gegründet: Rein e.V. Im Gegensatz zum Aussteigerprogramm von Bundesinnenminister Otto Schily, jubelte das „Nationale Infotelefon Hamburg“, setze Rein nicht „auf Verrat“, sondern wolle „ ,Kommunikationsbrücken ‘ in die extreme Rechte bauen, um über den Dialog Rassismus und Gewalt einzudämmen“. Schöner hätte es die grüne Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, die Rein ebenfalls unterstützt, nicht sagen können.

Endlich ein „Aussteigerprojekt“ von dem auch Rechte profitieren und das sie bis in den Stadtrat bringen könnte. Für die Straßenarbeit bleiben schließlich noch Skins wie der Messerstecher Sven R. übrig. Natürlich weiterhin mit der Musik von Lemmer & Co. im Ohr.

PASCAL BEUCKER

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