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Gelöst stammeln

Eine wie Jandl: Am Stuttgarter Theater Rampe komponiert die Theater-Autorin Felicia Zeller Partituren der Trostlosigkeit – ohne jedes Pathos

Weil ihre Fantasie niemals Kompromisse zulässt, hat Felicia Zeller auch keinerlei Angst davor, grenzenlos albern zu sein

von SABINE LEUCHT

Wer von der Autobahnausfahrt Degerloch kommend das Theater Rampe in Stuttgart sucht, muss erst die Zellerstraße finden. Die ist reichlich schräg und gewunden, wie vieles in der Schwabenmetropole mit dem biederen Ruf. Ein Omen? Zeller, Felicia, Jahrgang 1970, Schwäbin, praktisch immer schon Autorin und als solche „immer im Dienst“, ist alleinige Zulieferin für den Hattrick, mit dem das Autorentheater Rampe sein Publikum in den Sommer entlässt. Und selten hat man den Sinn des alljährlichen Theaterschlafs besser verstanden als in den vier Stunden dieses Premierentriathlons. Zuschauen ist Arbeit und „Meine Mutter war einundsiebzig und die Spätzle waren im Feuer in Haft“ will diese nicht eben erleichtern. Zehn Jahre alt ist das Stück bereits, und es erweist sich bei seiner späten Uraufführung als echte Zumutung: Sieben Betten stehen hochkant auf der Vorderbühne. Als alte Frauen verkleidete Darsteller nehmen vor ihnen Platz: der Bodensatz einer traurigen Pyjamaparty, über den die Zeit achtlos weitergestolpert ist. Zum Abstauben des Plunders bestellt ist eine Krankenschwester, die sich in den vierzig Minuten, die Stephan Bruckmeiers Inszenierung dauert, ganze zwei Mal auf dem Bauch an der Bettenreihe entlangzieht. Ihre süßliche Stimme kommt mit den anderen monoton und hallend aus dem Off: „Guten Morgen, Guten Morgen / Haben wir gut geschlafen / ob wir gut geschlafen haben / Frau Reiner! / Frau Kleb! / Frau . . .“ Die Galerie der Alten kramt derweil Worte aus ihrer Erinnerung, die sich weigern, sinnvolle Sätze zu werden. Collagiert ergeben sie lustige Ungetüme wie den langen Titel.

Felicia Zeller, die mit „Vom Heinrich Hödel und seiner nassen Hand“ eben erst bei den Hamburger Autorentagen für Aufsehen sorgte, komponiert Partituren der Trostlosigkeit ohne jedes Pathos – federleicht und schwer zugleich. „Tot im SuperRiesenAquarium“ von 1994, der Stuttgarter Premiere dritter Teil und ebenfalls eine Uraufführung, heißt im Untertitel „Komödie ohne Zukunft“. Das hätte auch über dem ganzen Abend stehen können statt des schließlich gewählten: „ein.sam.en (die)“. Gut an diesem Titel ist jedoch, dass man „einsamen“ ohne das „die“ auch als Verb lesen kann. Das passt viel besser zu Zeller als die trendigen Punkte, denn auch die Personen in ihren Stücken hangeln sich gerne von einem Wort zum gleich klingenden anderen: „wie / wie gern / wie gern würd / wie gern würd ich / würd ich ich / würd einmal wieder berührt -rührt werden / würd einmal wieder / einmal wieder wie- / aber was / was / was berührt mich schon“, stammelt Frauke K. in „Im Café Tassl“.

Bei der Premiere und auf einigen Fotos trägt Felicia Zeller eine große farbige Brille, mit der sie ganz sicher niemanden nachahmt und zu der man einfach eine Meinung haben muss. So sind auch ihre Texte: kein Jugendkult – die Figuren sind Sitzenbleiber eher gesetzteren Alters –, keine schicke „Wir warten, dass in unserem Leben was passiert und kloppen uns derweil“-Haltung.

Man kann ein Quäntchen Bernhard’sche Schwere und weit mehr sprachverformerischen Ehrgeiz à la Jandl darin sehen, die Zeller menschenfreundlicher finden als Sibylle Berg (auch sie Hausautorin des Theater Rampe) und viel verspielter als das Gros der jüngeren Dramatiker. Ihre Stücke beginnen exakt am Sujet und beinahe harmlos, als könnte am Ende eine Milieustudie daraus werden. Dann aber kommt der Aberwitz zu Besuch und wird vom Plot fast zärtlich aufgenommen. Nicht allerdings von den Protagonisten, auch wenn sie dem Wahn via Sprache entgegenkommen. Ganz extrem bei der „Sprech- und Sprachoperette“ „Im Café Tassl“, wo Zeller die Worte zu Frikassee zerhackt.

Wenn Sprache nervöse Zuckungen kennt, dann müsste sie nach dem Dauermonolog von Frauke kollabieren. Die Parts der anderen Cafébesucher – von Bruckmeier typengerecht besetzt – folgen je eigenen Rhythmen. Und Fraukes „Such-äh-Kontakt-Taktanzeigen“-Date Otto hat einen Text ganz gegen sein Naturell bekommen: Intakte Sätze, fast poetisch und ein wenig wehleidig, die er nur seinem (reimenden) Hut anvertraut. Otto schafft es nie bis ins Kaffeehaus. Seine leer laufenden Aktionen kommen via Leinwand auf die Bühne. Dort begegnet man der kompromisslosen Fantasie Zellers, die keinerlei Angst davor hat, grenzenlos albern zu sein – und es hier auch ist.

Bei „Tod im SuperRiesenAquarium“ hat ihr da die Regie geholfen, einige Sperenzchen aus dem Text geschmissen und den Rest zum Ende hin mit wunderbaren Schauspielern zum nackten Wahnsinn überkochen lassen: Walter, um die fünfzig, wurde „wegrationalli, nalli“ und hängt jetzt an der „CyberSpaceFunBox“. Seine Frau hängt sehr an ihrem schwangeren Guppy Waldi, bestellt der jungen Familie das „SuperRiesenAquarium“ und bekommt eine „SuperRiesenFigur“ als Gratisdreingabe. Nun laufen die Leben so nebeneinander her wie in den besten Familien: Walter rammelt virtuelle Blondinen („He Spitzmaus! Ich will Fleisch!“), der „original griechische Tantalos“ im Wasser flüstert von Eiter, und Hilde isst ein wenig Schinken. Schließlich bricht der Cyberspace ins Wohnzimmer ein und macht den Irrsinn erst richtig sicht- und hörbar. Mehr davon in Kürze im Staatstheater Mainz („Bier für Frauen“), im Stadttheater Konstanz – und bald überall dort, wo man das Theater als Spiel ernst nimmt.

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