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„Fühlen uns gestärkt“

Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach freut sich, dass Otto Schily „einen Schritt auf die Union zugegangen ist“. Ganz zufrieden ist er aber noch nicht

Interview LUKAS WALLRAFF

taz: Herr Bosbach, wir möchten Ihnen herzlich gratulieren.

Wolfgang Bosbach: Wieso das denn? Was ist passiert?

Seit gestern regieren Sie wieder mit.

(lacht) Die Frage ist nur: Haben wir jetzt ein Problem mehr oder weniger? Nein, aber wir erkennen durchaus an, dass der Bundesinnenminister mit seinen Vorstellungen einen Schritt auf die Union zugegangen ist.

Einen Schritt? Herr Schily hat in seinem Zuwanderungsgesetzentwurf so gut wie alle Vorschläge der CDU übernommen.

Das stimmt so nicht. Ich sehe zwar durchaus das Bemühen, einen Konsens zu finden. Aber bisher ist es nur der Entwurf des Ministers Schily. Deshalb kann ich die Frage, ob es einen Konsens geben wird, seriöserweise jetzt noch nicht beantworten.

Die SPD macht deutlich, dass ihr die Union wichtiger ist als die Grünen. Da können Sie doch kaum noch nein sagen.

Also, wir können ja nicht ernsthaft beklagen, dass Schily einige Beschlüsse der CDU aufgenommen hat. Wir fühlen uns gestärkt, weil man sieht, dass wir ein überzeugendes Zuwanderungs- und Integrationskonzept beschlossen haben. Aber wir müssen auch registrieren, dass Schily einigen von unseren Vorschlägen nicht folgt . . .

Genau wie Sie will Schily die Zuwanderung am „nationalen Interesse“ ausrichten, steuern und begrenzen . . .

Nicht nur. Wenn ich Schily richtig verstanden habe, will er auch den Zuzug von Arbeitsmigranten ohne den Nachweis eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses ermöglichen . . .

Das wird aber „zunächst nur einer sehr begrenzten Anzahl von Zuwanderern offen stehen“, sagt Schily. Von 50.000 jährlich, wie es die Süssmuth-Kommission vorgeschlagen hat, ist nicht mehr die Rede. Da wird man sich doch einigen können.

Das kann man doch erst am Ende beantworten und nicht am Anfang. Für uns ist die entscheidende Frage: Wird ein Gesetz im Ergebnis dazu führen, dass es zu mehr Zuwanderung kommen wird oder nicht?

Verlangen Sie also eine genaue Prognose, wie viele Zuwanderer kommen werden?

Nein, aber wir müssen doch bei jeder gesetzlichen Regelung die Frage beantworten, ob sie zu mehr Zuwanderung oder zu weniger führt. Wir werden doch kein Gesetz verabschieden, ohne das zumindest ungefähr abschätzen zu können. Aber dafür müsste man wissen, was die Regierung im Herbst endgültig vorlegt, etwa beim Familiennachzug und bei humanitären Fragen . . .

Geht Ihnen die Senkung des Familiennachzugalters auf 12 Jahre noch nicht weit genug? Die SPD hatte 18 gefordert . . .

Meiner Auffassung nach wird es nicht der entscheidende Punkt sein, ob das Nachzugsalter auf 6, 10 oder 12 Jahre gesenkt wird. Aber das ist meine persönliche Meinung.

Beim Kirchenasyl schlägt Schily vor, bestimmten Flüchtlingsgruppen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, wenn sich die Kirchen um sie kümmern.

Gegen diesen Vorschlag habe ich Bedenken. Bei der Entscheidung über einen Asylantrag handelt es sich um eine statatliche Rechtsgewährung, die man nicht auf andere Organisationen wie die Kirchen übertragen kann. Ich glaube auch, dass sich die Begeisterung bei den Kirchen in Grenzen halten wird, weil das mit erheblichen finanziellen Belastungen verbunden sein wird. Mich stören aber auch noch einige andere Punkte . . .

Welche denn?

In dem Gesetzentwurf soll drinstehen, dass die Familienangehörigen von deutschstämmigen Aussiedlern einen Sprachtest bestehen müssen, bevor sie nach Deutschland einreisen können. Sollte das stimmen, wäre das ein Affront, gegenüber den Betroffenen und gegenüber der Union. Denn dann wären ja die Zuzugsvoraussetzungen für die Angehörigen der Deutschstämmigen strenger als für die Angehörigen von Ausländern. Denn die müssen erst nach ihrer Einreise Sprachkurse besuchen . . .

Kann es sein, dass Sie nach Kritikpunkten und Wahlkampfthemen suchen? Im Grunde sind Sie sich doch einig.

Nein. Die Sache ist von ergreifender Schlichtheit: Wenn der Entwurf am Ende der Beratungen eine taugliche Grundlage für eine vernünftige Zuwanderungs- und Integrationspolitik ist, werden wir gerne zustimmen. Warum sollte man dann über diese Themen im Wahlkampf streiten? Wenn Rot-Grün aber all unsere Änderungsanträge ablehnen sollte, werden wir wohl kaum zustimmen können.

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