: Brauchen upsolut kein Geld
■ Am Wochenende blockieren Radler bei den HEW-Cyclassics die Stadt
Wenn alles klappt, ist die Sportagentur Upsolut mit ihrem Jahresumsatz von 21,5 Millionen Mark schon bald eine Aktiengesellschaft. An der Börse wollen sich die Eventmanager aus Othmarschen aber noch nicht notieren lassen. „Kapital zu generieren“ hat man dort nicht nötig, denn Upsolut „braucht kein Geld“, wie Christian Hinzpeter feststellt. Leicht gesagt, kann sich der Mediendirektor doch sicher sein, dass die HEW-Cyclassics, die an diesem Wochenende das sechste Mal ausgetragen werden, wieder erfolgreich verlaufen werden. Darüber hinaus organisiert das Unternehmen eine stetig anwachsende Anzahl von Radsportevents wie die Deutschlandtour oder die Mountainbike-WM.
Upsoluts letzter große Coup war die Übernahme der Vermarktungsrechte des FC St. Pauli. „Emotionaler“ sei die Arbeit mit dem Kiezverein, sagt Geschäftsführer Christian Toetzke. Dazu passt denn auch der gefühlsduselige Arbeitstitel der geplanten St.Pauli-Bar mit integriertem Fanshop auf der Reeperbahn: Herzblut. „Wer bei St. Pauli wirbt, will kein perfekt gestyltes Umfeld antreffen“, gab der 33-Jährige in der Welt zu bedenken. Das sei „genau andersrum“ als mit den sponsorträchtigen und „lifestyligeren“ Cyclassics: „Die sind näher dran am HSV.“
Gefühlskälte gegenüber den Cyclassics ist aber nicht festzustellen. Das wäre auch verwunderlich, verdankt Upsolut doch gerade diesem Produkt seinen steilen Aufstieg in der Sportmarketing-Branche. Die Idee eines Radrennens für Profis und „Jedermänner“ entstand 1995 und blieb bis heute seltsamerweise unkopiert. Im Premierenjahr 1996 bauten Toetzke & Co. noch eigenhändig im Morgengrauen die Absperrgitter entlang der Strecke auf. Zwei Jahre später wurden die Cyclassics in die sowohl sportlich als auch finanziell lukrative und exklusive Weltcup-Serie aufgenommen – und steht seither, zumindest formell, auf einer Ebene mit legendären Eintagesrennen wie Paris – Roubaix oder Mailand – San Remo.
Auch 2001 sind die Cyclassics nicht nur ein Radrennen, sondern mehr denn je ein überdimensionales Fahrradvolksfest, eine Mischung aus Sport, Spaß und Merchandise, verteilt auf rund 9000 Quadratmeter Fläche auf dem Rathausplatz und am Jungfernstieg. Es ist sportliches sowie touristisches Aushängeschild und Werbeträger für Hamburg geworden. Wenn die Sonne scheint, werden hunderttausende von Zuschauern an diesem Wochende dem Radspaß frönen, zusammen mit den Zweiradlern ein Verkehrschaos erzeugen, summa summarum 60 Millionen Mark umsetzen und rund 5 Tonnen Müll produzieren – was immerhin 195 Tonnen weniger sind als bei der Berliner Love Parade.
Organisiert wird alles aus einer Hand. Ob Autogrammstunden, Bananen, Streckenposten, Medien, der Bungee-„Sky Seat“, Mannschaftsbetreuung, Lizenzvergabe, Müllentsorgung oder die VIP-Tribüne auf der Zielgeraden in der Mönckebergstraße – alle Fäden laufen bei Upsolut zusammmen, und auch am Ende jeder „Wertschöpfungskette“, so Toetzke, steht Upsolut. Nach dem Auslaufen des TV-Vertrags mit Sat.1 und dem Deal mit dem Radsportsender ARD werden wohl auch wieder Quoten der Liveübertragung stimmen, was wiederum ein noch breiteres Lächeln auf die Sponsoren-Lippen zaubern wird.
Grund genug, das Thema Wirtschaft noch weiter auszuleuchten. Abseits des Trubels findet deshalb heute und morgen erstmals ein Symposium im Rahmen der Cyclassics unter dem Titel „Sport und Ökonomie“ mit Wirtschaftswissenschaftlern und Sportprominenz statt – selbstverständlich organisiert von Upsolut. Dabei soll zum Beispiel diskutiert werden, ob der „Sport in die Fänge der Ökonomie“ gerät oder wie Strategien erfolgreicher Sportstättenfinanzierung aussehen. Etwas leichter ist die Frage zu beantworten, was eine Sportgroßveranstaltung wie eben die Cyclassics für regionalwirtschaftliche und imagefördernde Wirkungen hat.
Toetzke hat indes weitere Visionen. Der ehemalige Zehnkämpfer will in den Gebirgen der Welt, in den Anden und im Himalaya, Mountainbike-Rennen für Profis und Jedermannfahrer organisieren. Der „Trans-Alp Challenge“ exis-tiert bereits, nächstes Jahr sind die Rocky Mountains fällig. Aber auch regionalere Pläne sind bereits geschmiedet. Upsolut möchte die Hamburger mit dem „Alstervergnügen des Sports“, so der Arbeitstitel, beglücken. Das heißt konkret: Die Cyclassics sollen bereits am Mittwoch anstatt am Freitag beginnen und wie gewohnt am Sonntag kulminieren. Die ganze Innenstadt rund um die Binnenalster soll zur Sport-Spaßzone umfunktioniert werden. Die Chancen für dieses Projekt? „Sehr gut“, sagt Toetzke. Wahrscheinlich würde er auch einen Berg der Kategorie drei aufschütten lassen, irgendwo in Hamburg, nur um die etwas flache Rennstrecke ein bisschen aufregender zu gestalten.
Bis dahin müssen sich die Radrennprofis wie die Telekomradler Jan „Salto“ Ullrich und Erik Zabel mit dem Waseberg und der Köhlbrandbrücke als schmeichelhaftem Alpe D'Huez-Ersatz begnügen. Die 10.000 Jedermänner und -frauen werden allerdings nur der Köhlbrandbrücke ihre Referenz erweisen.
Nächstes Jahr fällt der Startschuss der Cyclassics bereits am 4. August. Das bedeutet: keine Formel-1-Konkurrenz und surfen auf der Welle der Tour-de-France-Euphorie. Vielleicht werden dann ja auch der Meister der Schmerzen, Lance Armstrong (U.S. Postal) und Deutschlands prominentester Radconnaisseur, Verteidigungsminis-ter Rudolf Scharping (SPD), in Hamburg antreten. Upsolut würde sich die Hände reiben. Mike Liem
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