: Japaner keine Ökos
Ein interner Bericht des Umweltministeriums wirft Japans Regierung Fixierung auf Wirtschaftswachstum vor. Nachhaltigkeit sei kein Thema
von BERNHARD PÖTTER
Ein interner Bericht des Bundesumweltministeriums (BMU) hat Japan in Sachen Umweltpolitik ein vernichtendes Zeugnis ausgestellt. Zwischen dem Anspruch der Regierung, die viel Wert auf eine grüne West legt, und der umweltpolitischen Realität liege eine „riesige Kluft“. Die japanische Umweltpolitik weise „im internationalen Vergleich und insbesondere im Vergleich zu Deutschland ganz erhebliche Rückstände und Probleme auf“, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. „Nachholbedarf besteht sowohl auf technischer Ebene als auch aus konzeptioneller Sicht und beim Vollzug.“
Der Bericht fasst die Ergebnisse einer Untersuchung zusammen, die die OECD zu Fragen der Umweltpolitik in der zweitgrößten Industriemacht der Welt erstellt hat. Gute Umwelt- und Energiegesetze und ein nationaler Umweltplan würden „nur unzureichend operationalisiert und umgesetzt“. Praktische Umweltpolitik erreiche „nur in Ausfällen den europäischen Standard“: Japan weise eine geringe Quote von Häusern mit Anschlüssen an die Kanalisation, kaum Anwendung des Vorsorge- und Verursacherprinzips und ein geringes Umweltbewusstsein der Bevölkerung auf. „Zudem wird der ressourcenschonende traditionelle japanische Lebensstil immer mehr von westlichen Konsumgewohnheiten abgelöst“, heißt es in dem Bericht, den das BMU für Umweltminister Jürgen Trittin als Vorbereitung auf die Klimakonferenz in Bonn erstellt hat.
Der Bericht moniert den Einfluss des Industrieverbandes Keidanren, der sich „massivst gegen umweltpolitisch motivierte Regulierungen wendet“. Auch die Umweltbilanz von Unternehmen wie Toyota sei teilweise „erschreckend naiv“. Insgesamt reagiere die Umweltpolitik vor allem auf Probleme, im Vordergrund stehe in Zeiten der Wirtschaftskrise „wirtschaftliches Wachstum um jeden Preis“, schreiben die Autoren. Auf regionaler und lokaler Ebene seien Themen wie nachhaltige Entwicklung, Lokale Agenda 21 und Klimaschutz „völlig unterbelichtet“. Statt des ursprünglichen Kioto-Ziels von minus 6 Prozent erreicht Japan nach dieser Rechnung bis 2010 einen Anstieg der Treibhausgasemissionen um 19,6 Prozent. Die Verfehlung klimapolitischer Ziele liege an der Zunahme des Verkehrs, der Skepsis gegenüber dem forcierten Ausbau der Atomkraft, dem billigen Benzin und dem Fehlen regenerativer Energien.
„Entgegen der in Europa weit verbreiteten Ansicht, dass erneuerbare Energien in Japan nachdrücklich genutzt würden, war dies weder in der Vergangenheit der Fall, noch ist das gegenwärtig der Fall“, heißt es. Solaranlagen für Strom und Warmwasser seien „trotz hervorragender Rahmenbedingungen“ die Ausnahme, Windenergie werde „mit größter Zurückhaltung betrieben“. Und den höchsten Anteil an „erneuerbaren Energien“ stelle nach japanischer Definition eine Energieform, die in Europa sonst nicht als nachhaltig im Sinne von unerschöpflich, emissionsfrei und zukunftsweisend gilt – die Abfallverbrennung.
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