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Aua! Blaubeuren steht Kopf

„Die Berliner tageszeitung zieht über Blaubeuren und seine Tourismusaktivitäten her“, schreibt die Ulmer Südwestpresse. „Die Stadt hat ein Sommerrätsel: Waren da Nestbeschmutzer am Werk?“ Eine Dokumentation aus der „Südwestpresse“

von MAGDI ABOUL-KHEIR

Zunächst das Kompliment: „Blaubeuren, am Fuß der Schwäbischen Alb, hat Höhlen zu bieten, deren Malereien älter sind als die berühmten in Frankreich.“ Dann der Holzhammer: „Aber Touristen erfahren davon wohl erst in der nächsten Eiszeit.“

Aua. Blaubeurer reiben sich mit schmerzverzerrter und säuerlicher Miene das Haupt. Da kommt man schon mal im Reiseteil eines namhaften Berliner Blattes, der tageszeitung (taz), vor. Und als was? Als Beispiel für provinziellen Sumpf und politische Inkompetenz.

Zehn Millionen Mark hat die Deutsche Zentrale für Tourismus in das „Jahr des Tourismus 2001“ gesteckt, und keiner merkt was. So lautet die These der taz. Und Blaubeuren wird in dem Artikel „Die Metropole der Eiszeit“ beispielhaft an den medialen Pranger gestellt. Das touristische Potenzial (Blautopf, Archäologie, Kloster etc.) sei enorm, heißt es. Aber dann: „Stadtpolitik à la Siebzigerjahre“ lasse den Bürgern das Lachen vergehen. Der örtliche Handel reibe sich „verschreckt den Staub aus den Augen“. Einen Tourismusmanager habe „Bürgermeister Georg Hiller in seinen 23 Amtsjahren nicht für nötig erachtet“. Er vertraue lieber auf den „Reiz der vorgefundenen Schönheit“.

Überhaupt, der Bürgermeister bekommt ordentlich Prügel. Er gebe „den Patriarchen“, sein Regierungsstil komme nicht mehr an, „seine Finten und Ränke werden durchschaut“.

Wenigstens seien im nächsten Frühjahr Bürgermeisterwahlen. „Was geht die in Berlin an, was wir in Blaubeuren für Probleme haben?“, fragt eine Frau nach der Lektüre. „Es ist nicht alles falsch, was da steht“, ist aber auch zu hören.

Doch woher ist taz-Autorin Inge Malz so gut über Blaubeurer Interna informiert? „Gut recherchiert“, sagt ein Mann lapidar. Andere rümpfen die Nase: „Da stimmt was nicht.“

Sie wittern Nestbeschmutzung. Da müsse jemand aus dem Ort dahinter stecken. Zu gezielt seien die Seitenhiebe, nicht nur auf den Bürgermeister, sondern auch auf das Stadtmarketing und – das ist echt nicht nett, liebe Kollegen in Berlin – auf die „örtliche Presse“.

Erinnerungen kochen hoch, an eine Lokalposse aus dem Frühjahr. Flugblätter segelten da vom Blaubeurer Himmel, Kontra-Hiller-Aushänge sorgten für Stunk, die Aktion „Bürger suchen Bürgermeister“ wurde gegründet. Auch der taz-Artikel machte in nicht wenigen Kopien die Runde, wurde frühmorgens an die Rathaustür geklebt.

Im Rathaus herrscht Verwunderung, Unverständnis, Verärgerung. „Der Artikel ist kaum dazu geeignet, dass der Tourismus in Blaubeuren angeschoben wird“, sagt der stellvertretende Bürgermeister Richard Bayer. Er gehe davon aus, dass in der Stadt „ein Interesse da ist, solche Dinge zu veröffentlichen“. Die Verfasserin müsse Informationen aus Blaubeuren bekommen haben.

Die Autorin des Artikels war in den vergangenen Tagen übrigens nicht zu erreichen. Bürgermeister Hiller ebenfalls nicht, er weilt im Urlaub. Erholen wird er sich aber nur, wenn er nicht die taz in die Hände bekommen hat.

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