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Weil ich ein Mädchen bin

Beim Cheerleading können sich junge Mädchen darstellen und gleichzeitig fit bleiben

Aus einem Ghettoblaster, der auf der Turnbank in einer Wilmersdorfer Sporthalle steht, ertönen Hits von Jennifer Lopez, Britney Spears und Tom Jones. Etwa ein Dutzend Mädchen zwischen 14 und 17 Jahren, einige kräftig, andere schlank, geschminkt oder pur, verwandeln sich gemeinsam im Rhythmus der Musik zu Popstars des Hallenparketts. Die Cheerleader-Gruppe White Poison trainiert für die nächsten Auftritte bei ihrem Football Team, den Berlin Kobras.

Ihre Bewegungen erinnern an Tänzer aus Musikvideos oder Bühnenshows, an Vorbilder ihrer Generation. Akzentuierte Hüftschwünge, isolierte Schulterbewegungen, Kicks und Drehungen, gepaart mit gezielten Armaktionen, bringen die Teenager ins Schwitzen. Synchrone Bewegungsabläufe sollen die jungen Individualistinnen zu einer Einheit verschmelzen lassen. Einzelkämpferinnen haben hier keinen Platz. „Streck das Knie durch und guck nach oben“, lauten die Anweisungen von Sabrina P. (17), Co-Trainerin und Tänzerin der Cheer-Truppe. Nicole M. (16) steht auf einem Bein, das andere zum Knie angewinkelt, über den Köpfen ihrer Teamkolleginnen. Ihr Standbein wird von drei Mädchen gestützt. Sie wackelt, verliert die Balance, versucht den Tipp der Trainerin umzusetzen, ohne dabei ihr Lächeln zu verlieren. Charme, Eleganz und Leichtigkeit dürfen auch bei der schwierigsten Artistik, den Pyramiden, nicht fehlen. Für diesen enormen Körpereinsatz ist das vorangehende Warm-up, bestehend aus Laufen, Kraftaufbau und Stretching, ein Muss innerhalb des Trainings.

Bis zu viermal die Woche üben die Cheerleader-Teams Tanz, Akrobatik und die Basic Cheers. Letzteres sind die Schlachtrufe, mit denen die jungen Mädchen die männlichen Raufbolde zum Sieg brüllen sollen. Cheerleader findet man nicht nur am Spielfeldrand der Football-Teams. Mit ihren kurzen Röcken, eher geschlossenen Oberteilen und den flittrigen Pompons sorgen sie auch für Stimmung beim Eishockey, Basketball oder Fußball.

In den letzten Jahren ist das Cheerleading in Deutschland zunehmend populärer geworden. Immer mehr junge Mädchen begeistern sich für das Cheeren, das Show und Sport in einem vereint. „In der Pubertät stehen Mädchen gerne im Mittelpunkt, schminken sich, stylen ihre Haare, spielen mit ihrer Weiblichkeit. All das können sie beim Cheerleading, im sicheren Rahmen der Gruppe, für sich ausprobieren. Zusätzlich halten sie noch ihren Körper fit. Diese Mischung macht den Sport für sie so interessant“, erklärt Kristin Nogai (28), Cheerleader-Beauftragte des American-Football-Verbandes in Berlin.

Männer sind zwischen den Reihen der Cheerleader eher selten zu finden. In den Mixed Teams haben sie allerdings eine im wahrsten Sinne des Wortes tragende Rolle, da die Choreografien spektakuläre Hebefiguren beinhalten. Ansonsten versuchen Cheer-Boys, wie beispielsweise die Kölner Pink Poms, mit ihrem Auftritt bei weiblichen Football-Teams, die gängigen Klischees auf den Kopf zu stellen.

Ursprünglich war das Cheerleading eine reine Männersache. In den USA tauchten die ersten Spielfeld-Animateure 1898 auf. Erst als in den 20er-Jahren tänzerische Elemente dazukamen, fanden auch Frauen Zugang zum Cheeren.

Die amerikanische Cheerleader-Szene boomte und 1978 fanden dann die ersten Meisterschaften statt. Seit 1988 gibt es auch in Deutschland Cheerleader-Meisterschaften. „Die Teilnahme bei den Meisterschaften ist das Schönste. Da geht immer eine große Party ab“, erzählt Beate C. (17), Cheergirl von den White Poison. Sie freut sich schon auf die 11. Berliner Meisterschaft. Dann werden für einen Tag die Rollen getauscht und „wir werden von unseren Football-Spielern angefeuert“, freut sich die Cheerleaderin. JEANNETTE WALTER

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