berliner szenen: Super-Fight-Club
Dreinull
Seit Dienstag lebe ich vor der Glotze. Ich bekomme alles mit, jede nur kleinste Regung in den Gesichtern der Politiker. Aber ich kapiere nicht, was passiert ist. Meine einzige Verbindung zur Außenwelt ist der allabendliche Sport. In der U 2, in der ich letzten Mittwoch saß, um zum Tischtennis-Training nach Charlottenburg zu fahren, höre ich überall Gespräche mit. Die Jugendlichen neben mir finden alles geil, sie fragen meinen Nebensitzer nach weiteren Anschlägen: „Echt, Politik ist total interessant“. Kurz vor dem Eingang der Sporthalle schaue ich in den angrenzenden Aufenthaltsraum der türkischen Sozialdemokraten. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe, aber es ist alles ruhig, wie immer. In der Halle frage ich die Kinder und Jugendlichen, wie die Lehrer in der Schule reagiert haben. Sie haben geredet und dann eine Schweigeminute gehalten. Alle. Ein anderer erzählt mit glühenden Augen, dass der Einsturz des WTC ein „Super-Fight-Club“ war, viel besser als die Sprengung der beiden Hochhäuser am Schluss des Films. Ich fordere ihn zu einem Spiel auf. Ich ziehe ihn 3:0 ab. JÖRG PETRASCH
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