DER ANTITERRORKRIEG DROHT ZUM ANTIARABISCHEN KRIEG ZU WERDEN: Palästina wird allein gelassen
Vor den Terroranschlägen in den USA war die Lage im Nahen Osten trist. Jetzt ist sie total hoffnungslos. Washington wird sehr bald in einen totalen Krieg gegen den islamistischen Terrorismus ziehen. Die Vorstellung ist nicht realistisch, dass man dabei eine klare Trennung zwischen einer fanatischen Minderheit und der Mehrheit der islamischen Welt, die nichts mit dem Terror zu tun hat, vollziehen kann. So besteht die akute Gefahr, dass aus dem Krieg gegen den Terrorismus ein Krieg gegen die islamischen Völker wird und dass sich die US-Administration endgültig von der Suche nach einer gerechten Lösung des Nahostkonfliktes verabschiedet. Die Folgen wären fatal.
Die Eskalation der Gewalt in den besetzten Gebieten nach den Terroranschlägen hat der Weltöffentlichkeit dafür eine Kostprobe serviert. Der israelische Premier Ariel Scharon nutzt die Gunst der Stunde. Er versucht, seine Gewaltpolitik gegen die Palästinenser zu intensivieren und sich als Kämpfer gegen den Terrorismus zu profilieren. In den letzten Tagen wurden zahlreiche Palästinenser getötet und verwundet, obwohl die Gewalt in den palästinensischen Gebieten einigermaßen zurückgegangen ist. Auch das geplante Treffen zwischen Israels Außenminister Schimon Peres und Palästinenserpräsident Jassir Arafat fiel dieser Politik zum Opfer. Die Sackgasse ist perfekt. Die endgültige Besatzung der Autonomiegebiete durch Israels Armee rückt immer näher.
Die westliche Sympathie mit dem Leid der Palästinenser ist verschwunden. Dafür haben die Medienmacher im Westen gesorgt. Die mit Nachdruck verbreiteten Bilder von einigen wenigen Palästinensern, die in den ersten Minuten die terroristischen Anschläge bejubelt haben, haben die Gleichsetzung von Palästinensern und Arabern mit Bestien perfekt gemacht. Dadurch werden die islamischen und arabischen Völker diskreditiert und vom Kampf gegen Terrorismus und Gewalt ausgeschlossen. Das ist ein unschätzbares Geschenk für den Terroristen Bin Laden – und eine Hiobsbotschaft für den Nahen Osten und die übrige Welt, die gerade jetzt eine breite und geschlossene internationale Koalition gegen Gewalt und Terror braucht. ABDEL MOTTAB EL HUSSEINI
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