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Zwingende Logik jenseits der Wirklichkeit: Ein metaphorischer Krieg wird wahr
Das Parlament hat sich nicht selbst entmachtet. Es hat keinen Blankoscheck für Gerhard Schröder ausgestellt. Es hat sich auch nicht bedingungslos den Amerikanern ausgeliefert. Es hat ebenso nicht den Einsatz der Bundeswehr beschlossen. So weit zu den Formalien.
Jetzt zur wirklichen Politik: Mit seinem Beschluss, die USA im Kampf gegen den Terrorismus politisch und militärisch zu unterstützen, hat der Bundestag gestern eine Entscheidung getroffen, hinter die er nicht mehr zurückgehen wird – weil er es nicht mehr kann. Keiner glaubt doch im Ernst daran, dass der Bundestag in zwei oder drei Wochen einen Einsatz der Bundeswehr ablehnt, weil ihm die vorgeschlagenen Militäraktionen der USA zur Bekämpfung des Terrors vielleicht doch nicht angemessen erscheinen.
Das Parlament hat sich ebenso wie die rot-grüne Regierung in einen Strudel hineingeredet, dem sie nicht mehr entkommt. Dem liegt die permanente Rhetorik vom Krieg gegen die zivilisierte Welt und der bedingungslosen Solidarität mit den Amerikanern zugrunde. Am Tag des Terroranschlags sprach der Kanzler noch eher metaphorisch von einer Kriegserklärung gegen die freie Welt. Dann wurde daraus wirklich ein „Krieg“, als die Nato den Bündnisfall feststellte. Natürlich sei damit kein Automatismus verbunden, der militärische Maßnahmen zwingend notwendig mache, sagte die Regierung. In anschließenden Interviews schloss der Kanzler die Beteiligung der Bundeswehr an Militäraktionen nicht mehr aus. Und jetzt beschließt der Bundestag, die Amerikaner, wenn sie es denn wünschen, politisch und militärisch zu unterstützen.
Diese Abfolge der Ereignisse lässt auf eine zwingende Logik schließen; aber diese Logik hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Was ist in der Woche nach dem Terroranschlag passiert? Die fieberhafte Suche nach den Tätern, politische Gespräche, die Vorbereitung militärischer Maßnahmen – alles nichts, was einen solchen Beschluss des Bundestages zum jetzigen Zeitpunkt notwendig macht. Die Logik, die dahinter steht, ist in Wahrheit die der Hoffnung. Der Hoffnung, dass es nicht so schlimm wird. Dass diese politische Absichtserklärung den Verhandlungsspielraum der Bundesregierung gegenüber den Amerikanern vergrößert. Diese Hoffnung kann schnell enttäuscht werden.
Das alles spricht nicht automatisch dagegen, dass der Kampf gegen den Terrorismus nicht auch militärisch, vielleicht sogar mit Beteiligung der Bundeswehr, zu führen ist. Aber darüber müsste man streiten. Es gibt keinen geeigneteren Ort dafür als das Parlament. Aber dort wurde gestern alles Mögliche – nur nicht gestritten. Mit Ausnahme der PDS gab es keinen Widerspruch. Trotz erheblicher Bedenken in den Regierungsfraktionen trauten sich weder SPD noch die Grünen auch nur einen Abgeordneten ans Mikrofon zu lassen, der militärische Maßnahmen im Kampf gegen den Terrorismus ablehnt. Als Ministerium zur Rettung der nationalen Einheit in schicksalhafter Stunde wird der Bundestag nicht gebraucht.
JENS KÖNIG
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