: Was ist mit Fischer?
Immer dann, wenn es bei den Grünen ernst wird, blühen die Spekulationen über ihren Star: den Außenminister
BERLIN taz ■ Bei den Grünen herrscht Endzeitstimmung. Wieder einmal? Wieder einmal. Und immer dann, wenn es ganz ernst wird, spekuliert die Partei, spekulieren vor allem die Medien über das Schicksal des populärsten Politikers der Partei, ihres Übervaters, ihres Zuchtmeisters, ihres einzigen wirklichen Stars, der Verkörperung ihres eigenen schlechten Gewissens: über Joschka Fischer. Bleibt er Außenminister? Bleibt er vor allem ein Grüner? Wird er vielleicht ein Sozialdemokrat, wie einst Otto Schily einer wurde?
Jetzt wird wieder darüber gerätselt – also ist die Lage bei den Grünen ganz ernst. Aber mit den Spitzenleuten der Partei braucht man über diese Spekulationen gar nicht lange zu reden. Sie halten sie sowieso alle für abwegig. „Der Joschka wird ein Sozialdemokrat? Vergessen Sie’s“, sagt einer aus der Fraktionsspitze, der Fischer gut kennt. „Niemals!“ Aber dieses Dementi beruht zuallererst immer auf der Annahme, dass es für Fischer keinen Grund geben könnte, die Grünen zu verlassen und zur SPD zu wechseln. Alle Spitzenpolitiker gehen, zumindest offiziell, davon aus, dass die rot-grüne Koalition hält.
Am Leben gehalten werden die Spekulationen von der Annahme, dass die Koalition diesmal doch zerbrechen könnte. Stimmen mehrere grüne Abgeordnete im Bundestag gegen eine deutsche Beteiligung an Militäraktionen gegen Terroristen, stimmen auch einige Sozialdemokraten dagegen, wird Gerhard Schröder die Koalition beenden – dieses Szenario wird auch bei den grünen Spitzenleuten für realistisch gehalten. Aber wird Schröder angesichts der internationalen Herausforderungen dann auf seinen Außenminister verzichten können? Bleibt Fischer als Parteiloser im Kabinett? Oder wechselt er zur SPD? Und wenn er zur SPD wechselt, gehen dann die Grünen kaputt?
Das sind Fragen, die sich in Berlin derzeit viele stellen. Aber verlässliche Antworten gibt es keine. Nur noch mehr Fragen: Was, wenn der Bundestag über einen deutschen Kampfeinsatz gar nicht entscheiden muss? Waren dann die schönen Spekulationen alle umsonst? JENS KÖNIG
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