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Heimatkunde

Nach internen Querelen gibt es sie also doch, die Ausstellung des 12. Goldrausch-Kurses im Kunstraum Kreuzberg. Statt um Sex als Vermarktungsstrategie des Weiblichen, wie das Plakat suggeriert, geht es um Familie und Alltag

Golden glitzert das sexy Girl auf dem Plakat, das für Goldrausch, den Kurs zur Professionalisierung von Künstlerinnen, wirbt. Sex als Vermarktungsstrategie des Weiblichen? Doch dann ist in der Ausstellung im Kunstraum Kreuzberg alles ganz anders: Wiederentdeckt werden Familie, Eltern, die Provinz und der Alltag als Themen. Eva Bertram geht mit Pantoffeln, Unterhosen und den ersten Liebesbriefen auf die Suche nach Nähe und was aus ihr werden kann; Wiebke Loeper misst in Fotografien und Texten den weiten, nicht mehr überbrückbaren Abstand zum Leben ihres Großvaters aus, der Fleischermeister in Mecklenburg war; Gudrun F. Widlok stellt ihre Agentur „Adopted“ vor, über die sie vereinsamten und gestressten Singles der westlichen Welt Pateneltern in Afrika oder Asien vermittelt. Auch die Strickanzüge, die Petra Stüben entwirft, bieten meist mehr als einen Ärmel und Hosenbeine an. Einer allein macht noch keine Geschichte aus, und Individualität ist längst nicht so wichtig wie Zellen- und Gruppenbildung, das scheint zumindest ein Teil der Botschaft.

In Fotografien und Zeichnungen setzt eine akribische Vermessung ein, der nichts zu banal ist, um doch noch zu einer anderen Art des Blicks zu finden. Monotone Fassaden, karierte Bettdecken, Teppichmuster, Flughafen-Terminals und die Brachen des Tagebaus: Jedes Detail wird lesbar als soziale und historische Topografie. In den Zeichnungen von Britta Lumer, Pauline Kraneis und Julia Krewani entfaltet der Blick auf die gegenständliche Welt darüber hinaus eine visuelle Struktur, die von der Geschichte der Abstraktion und der Thematisierung der Bildmittel gelernt hat. Auffallend ist dabei die häufige Reduktion auf ein Motiv, als müsste die Welt der Dinge neu durchbuchstabiert werden. Wenn Britta Lumer einen „Tannenwald“ mit Kohle zeichnet, dann ist der Himmel darüber weiß wie das Blatt Papier. Genevieve Gilbert setzt zwischen ihre Fotografien von Abbaugruben und Halden monochrome Bildtafeln im gleichen Format, als würde die Landschaft die Sensibilität für Leeren und Flächen steigern.

Die Fassaden-Ausschnitte von Tina Brüser haben keinen Anfang und kein Ende. Selbst hier ist die Wirklichkeit strukturiert wie das All-Over einer Malerei, die hierarchische Ordnungen des Bildraums aufhob und jeden Platz für gleichwertig erkannte. Die große Geste, das Bedeutungsvolle und Symbolische zu vermeiden – dieses Anliegen scheinen die meisten der 15 Künstlerinnen zu teilen.

Fast wäre die Ausstellung nicht zustande gekommen – die Kursteilnehmerinnen haben sich am Ende im Streit von Anne Marie Freybourg, der Initiatorin und langjährigen Leiterin des Projekts, getrennt. Die Künstlerinnen erzählen, dass ihre Ausstellung dem Vorhaben einer organisatorischen Umstrukturierung zum Opfer fallen sollte.

Sie fühlten sich um das Herzstück von Goldrausch betrogen und wandten sich an den Vorstand des Trägernetzwerkes Goldrausch. „Damit haben sie die Projektfinanzierung gerettet“, meint Sabine Bangert aus dem Vorstand, denn zu diesem Zweck seien die Gelder bewilligt worden. Der Vertrag mit Anne Marie Freybourg wurde aufgelöst. Anne Marie Freybourg begründet ihren Rücktritt dagegen mit einer Einsparung an Fördermitteln durch den Senat, die erst Mitte Mai mitgeteilt wurden. Da wären nur noch die Mittel zur Produktion der Ausstellung disponibel gewesen. Ihr Vorschlag, die Kurse zur Ausstellungsvorbereitung durchzuführen und auf die Schau selbst zu verzichten, brachte die Künstlerinnen gegen sie auf. Ohne Coaching und Supervision aber ist die Ausstellung in ihren Augen kein Qualifizierungsprojekt mehr, sondern bloß ein Rumpf.

Die Zukunft des Projekts ist nun offen, denn Anne Marie Freybourg, die als Kuratorin auch für die überregionale Anerkennung von Goldrausch stand, möchte ihre Arbeit unter einer veränderten Struktur fortsetzen, und auch das Goldrausch-Netzwerk will mit einer anderen Leiterin Weiterförderung beim Senat beantragen. Das Frauennetzwerk übt jetzt auch Kritik an den Inhalten der Kurse, die den Veränderungen in der Rolle der Künstlerin in den letzten zehn Jahren nicht mehr Rechnung getragen hätten. Doch dass zumindest die Teilnehmerinnen des 12. Kurses Durchsetzungsvermögen und Kooperation gelernt haben, zeigt ihre Ausstellung in Eigenregie. Das Plakat mit dem goldenen sexy Girl ist übrigens ein Fundstück aus München, ursprünglich eine Einladung zu einem Discoabend. Es passte gut als Parodie auf das Erfolgsversprechen von Goldrausch.

KATRIN BETTINA MÜLLER

Bis 14. 10., Di.–So. 14–18 Uhr, Kunstraum Kreuzberg/Bethanien, Mariannenplatz 2, Kreuzberg

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