: Ich, Gabi Zimmer, will Frieden
Die angeschlagene PDS-Chefin versucht Selbstbewusstsein zu demonstrieren. Einen Streit der Genossen über die Friedensfrage will sie auf dem bevorstehenden Parteitag in Dresden unter allen Umständen verhindern. Ihre Kritiker aber geben nicht auf
von JENS KÖNIG
Was macht die Vorsitzende einer Partei, der in einem vernichtenden Text im Spiegel gerade bescheinigt wurde, sie sei eine glatte Fehlbesetzung? Sie erwähnt bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt nach Erscheinen des Artikels diesen Text mit keiner Silbe. Aber sie tut nicht etwa so, als gebe es ihn nicht. Die Parteichefin gibt vielmehr versteckte Zeichen an die Öffentlichkeit und die eigenen Genossen. Sie gibt zu erkennen, dass sie den Text gelesen hat, ihn aber natürlich für Schwachsinn hält.
Gabi Zimmer, der PDS-Vorsitzenden, ist vom Spiegel gerade bescheinigt worden, sie sei eine glatte Fehlbesetzung: „Wo Gysi früher reinste Dialektik zu bieten hatte, hat Zimmer nur thüringischen Dialekt im Angebot.“ Die eigenen Genossen würden versuchen, Zimmer vor der Öffentlichkeit zu verstecken.
Bei ihrer Pressekonferenz am Montag erwähnt Zimmer den Text mit keiner Silbe. Aber sie spricht, völlig unüblich für die blasse Parteichefin, während ihres Auftrittes mindestens zehn Mal in der Ich-Form. Ganz demonstrativ. ICH habe den Programmentwurf erarbeitet. ICH habe die Unterstützung meiner Partei. Eine Verzögerung der Programmdiskussion ist mit MIR nicht zu machen. Zur Beobachtung ihrer Selbstüberzeugungsnummer hat sich der Mediencoach der Parteichefin unauffällig zwischen die Journalisten gesetzt. Vertrauen ist gut, wird er sich gedacht haben, aber wo kein Vertrauen ist, da ist Kontrolle besser.
Die Debatte über ihre angeschlagene Parteichefin kommt für die PDS zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der Terroranschlag auf die USA hat das heile Weltbild vieler Genossen zerstört. Der Partei droht ein Streit über ihre Außen- und Sicherheitspolitik. Bisher lehnt die PDS jede Art von Militäreinsatz ab. Angesichts der neuen Form des Terrors schwant aber den Spitzenleuten der Partei, dass es nicht mehr reicht, einfach für den Frieden zu sein.
Fraktionschef Roland Claus sowie Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch sprechen sich für Repressionen bei der Ergreifung der Terroristen aus, wollen aber nicht sagen, worin genau diese Repressionen bestehen sollen. Gregor Gysi, der Spitzenkandidat für die Wahlen in Berlin, geht einen Schritt weiter und plädiert für begrenzte militärische Aktionen. Auf dem Parteitag am Wochenende in Dresden will sich die PDS jedoch noch einmal als konsequente Anti-Kriegs-Partei feiern. Ihre Überlegungen für eine neue Sicherheitspolitik finden sich nur im Kleingedruckten.
Auf dem Parteitag sollte ursprünglich der Entwurf für ein neues Parteiprogramm im Mittelpunkt stehen. Jetzt wird Dresden ein Friedensparteitag. Der Entwurf für das Grundsatzprogramm soll im Lichte des 11. September noch einmal überarbeitet werden. Wie genau, das steht noch in den Sternen. Im Leitantrag des Parteivorstandes für den Parteitag heißt es vage: „Die eine, verletzliche Welt braucht eine neue Sicherheitsarchitektur.“ Die UNO solle reformiert und die Nato „so bald wie möglich“ durch nichtmilitärische Sicherheitsstrukturen ersetzt werden. Der neue Programmentwurf soll jetzt unmittelbar nach der Bundestagswahl vorgelegt und das neue Programm 2003 beschlossen werden.
Vertreter der Kommunistischen Plattform und des Marxistischen Forums werfen Zimmer vor, der Leitantrag widerspreche dem geltenden Parteiprogramm und dem Parteitagsbeschluss von Münster. Im Programm von 1993 fordert die PDS noch die Auflösung der Nato. Die Orthodoxen sagen der Parteichefin für Dresden den Kampf an. Zimmer gibt sich jedoch, immer noch demonstrativ, ganz entspannt: „ICH gehe mit Spaß auf den Parteitag“, sagt sie. „ICH freue mich auf die Auseinandersetzung.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen