: Aaaah, Ooooh, mein Gott
Der amerikanische Golf-Star John Daly prügelt die Bälle bei den German Masters am weitesten. Am triumphalen Sieg von Golfsenior Bernhard Langer (44) kann aber auch das nichts ändern
aus Pulheim BERND MÜLLENDER
Wer sich Gedanken um den Stellenwert des deutschen Golfs machen möchte, stellt sich am besten vor, es gäbe keinen Bernhard Langer. Weiter angenommen, es gäbe die German Masters – obwohl Bernhard Langer das Turnier 1987 miterfunden hat und Bruder Erwin Organisationschef ist– trotzdem, viele Kommentare würden reichlich süffisant ausfallen. Es stünde etwa zu lesen, wie schlecht es sportlich um das Golfspiel hier zu Lande steht. Leute wie Sven Strüver, Thomas Gögele und Erol Simsek schieden auf Gut Lärchenhof vorzeitig aus, Alex Cejka durchstöberte vor allem die Randgebiete des Platzes und wurde 61. Und den Nachwuchsmann Wolfgang Huget würde man für Platz 46 auch nicht als Hoffnungsträger feiern.
Angelsachsen und andere Golfkenner hätten viel über dieses provinzielle Entwicklungsland Germany zu lästern. Etwa weil der Platz des bestdotierten Turniers auf dem europäischen Festland (4,5 Millionen Euro) so leicht ist, dass ihn die Spieler „auseinander nehmen“, wie es im Jargon heißt: Durchschnittsrunden von 69 Schlägen – und das bei teilweise widrigen Bodenverhältnissen – sind sportlich absurd. Mit 12 unter Par, die woanders zum Sieg reichen, war man am Ende nicht unter den zwei Dutzend Besten. Spottlust provoziert hätte auch der Moderator an Loch 1, der viele Namen internationaler Stars hartnäckig falsch aussprach, bis ihm Clubpräsident Klasmeyer die Mikrofonherrschaft entriss. Oder, weil der Australier Stephen Leaney auf der Anzeige Leany hieß und in der Turnierzeitung statt von Langers Poleposition von der „Pool-Position“geschlagzeilt war, als erwarteten sie, dass der gebürtige Anhausener Maurerssohn noch baden geht. Und in Köln-Pulheim, wie im offiziellen Turniermagazin ausgewiesen, fanden die Masters auch nicht statt – die Pulheimer werden sich bedanken für die zwanghafte Eingemeindung.
So aber waren es die German Langer Masters. Das Phänomen Langer. Mit 44 Jahren die Weltelite besiegt, dazu 22 unter Par, also pro Lebensjahr ein halber Schlag: gigantisch. Außer Scott Hoch sind nur Jüngere in der Top 100 der Welt (Langer ist jetzt wieder unter den besten 20). Dabei war es für den inbrünstig gefeierten Triumphator am Ende noch einmal knapp geworden, weil sein Abschlag an Loch 17 um ein Haar ins Wasser getaucht wäre. „Da“, sagte er, „habe ich großes Glück gehabt.“
Den Konkurrenten wollte der Deutsche aus Florida keine Hoffnung machen, wann dieser Langer endlich nicht mehr kann. „Im Rücken zwickt’s immer wieder. Aber das tut es seit 25 Jahren und es lockert sich auch immer wieder.“ Sein methusalemanisches Alter spiele schlicht „keine Rolle“, weise halte er es mit Altmeister Lee Trevino: „Der Ball weiß nicht, wie alt der Spieler ist.“
Über 50.000 Zuschauer (Turnierrekord) feierten den Deutschen und bestaunten vier Tage lang US-Star John Daly. Dalys Auftritt war wie eine Prozession, voller Ehrfurcht und Staunen ob seiner gigantischen Schläge bis zu 350 Metern. Ein Zuschauer in Pulheim sagte: „Ich möchte dabei sein, wenn er sich doch mal den Rücken bricht.“ – „Unglaublich“,raunten die Menschen jedesmal beim Abschlag – und: „Aaaah, Ooooh, Ooooh mein Gott.“ Loch 1, ein Par 4 von 331 Metern Länge, griff Daly (35) vom Abschlag an und verfehlte das Grün nur knapp. Ein Mal ließ Daly die Zuschauer hüpfen, die sich in großer Weite sicher wähnten und grinste sich eins. Wo andere vorsichtig vorgelegt hätten, jagte Daly den Ball aus dem Rough los und donnerte ihn übers Grün. Das personifizierte Risiko. „Der spinnt“, raunte eine Frau dem Gatten zu – und Daly chippte zum Eagle ein.
Zur Belohnung steckte sich Daly eine Marlboro an und hustete erst mal ab. Beim Einschlagen hatte er die Fluppe gleich im Mund gelassen und war erst zufrieden, als er zwei Bälle über die Fangzäune gedroschen hatte. Sein Kommentar schlicht: „Okay, gone.“ Long John Daly and the Tiny Little Shorthitters.
Einen Schlag Vorsprung rette Langer vor Daly ins Ziel. Für den Sieger („am Ende ist doch der Putter der wichtigste Schläger“) ist noch viel zu tun. Ende des Jahres wird er in Golfers Hall of Fame aufgenommen, eine seltene Ehre für einen Kontinentaleuropäer. Nach Ende seiner Karriere (nur wann?) will er Europas Ryder-Cup-Kapitän werden. Dann gilt es die Austragung des Ryder Cups nach Deutschland zu holen, was allerdings frühestens 2018 möglich ist. Und danach gibt es wieder sportliche Herausforderungen: Das eigene Alter als Spielergebnis, was unter Golfern als heiliges Lebenswerk gilt. Die beste Zeit dafür liegt zwischen 66 und 72 Jahren. Geschafft haben das auf dieser Welt erst sehr wenige.
Gestern Abend wollte Langer den Kollegen Daly, der mit viel Überredungskünsten als erster prominenter US-Sportler nach dem 11. 9. nach Europa gelockt worden war, zurück in die Staaten eskortieren. Dann kamen die Angriffe auf Afghanistan und die Flug-Warnung der US-Behörden an ihre Landsleute. Bis Redaktionsschluss war unklar, ob der ohnehin flugängstliche Daly in der Alten Welt stecken bleibt und vielleicht die PGA World Matchplay Championships ab Donnerstag in Wentworth mitprügelt. Die englischen Golffreunde würde es freuen.
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