: Weinprobe
Reife Früchte ins Großhirn: Schnupfen ist so ziemlich der größte Feind bekennender Weintrinker. Ein Wein allerdings hat es geschafft, seinen Charakter an meinen verstopften Nebenhöhlen vorbeizuschmuggeln. Während die Fieberkurve stetig stieg, kühlte ein 2000er Riesling vom Weingut Laurentiushof meine Stirn. Einmal ins Glas geschenkt, nahm meine schwächelnde Nase Kontakt auf und sendete das Bild reifer Früchte ins Großhirn – intensive Aromen von Äpfeln und Maracuja. Mit der Frische eines kalten, sonnigen Wintertages beruhigte der Tropfen nach den ersten Schlucken meine geschwollenen Mandeln. Hatte sich da nicht auch eine Spur Muskat ins Geschmackspotpouri geschlichen? Egal, jedenfalls hat mir dieser 11,5-prozentige Wein – von der laut Etikett „steilsten Weinbergslage Europas“ – über den Berg geholfen.
Tatsächlich wachsen die Reben mit fast 70 Prozent Steigung an den Hängen des Calmont. Dort kraxelt Familie Franzen-Martiny aus dem Dörfchen Bremm im Herbst herum, um die Reben für einen der besten Rieslingweine der Mosel zu ernten und gemäß den Kriterien des Bundesverbandes Ökologischer Weinbau zu behandeln: Sie spritzen gegen Pilze und Ungeziefer nur mit Kräuterauszügen.
2000er Bremmer Calmont, Riesling – Hochgewächs, Trocken, Weingut Laurentiushof, Bremm/Mosel, 0,75 l für 10 DM, erhältlich im Köpenicker Weinladen, Köpenicker Str. 8 in Kreuzberg
Wundertüte: Ein Landwein zu einem feinen Menü? Zwischen all den mitgebrachten Edel-Chianti- und -Bordeaux-Flaschen der anderen Gäste schien mir meine Flasche irgendwie geschrumpft zu sein. Natürlich kommt jetzt ein Aber, weil dieser Wein den Vergleich mit einem Markenprodukt nicht zu scheuen braucht. Im Herkunftsland Frankreich weiß man ohnehin längst, dass Landweine wie Wundertüten sind. Erst weiß man nicht, was drin ist, aber später fühlt man sich mitunter durchaus als Hauptgewinner.
Der 2000er Vin de Pays du Gard vom Weingut Petit Milord aus Beaucaire im heißen Midi hat dem Vergleich mit rund 10 bis 15 Mark teureren Weinen locker standgehalten. Sein fruchtiger Duft nach Himbeeren wird im Geschmack von würzigem Aromen nach Tabak und Holznoten abgelöst, die so schnell nicht wieder verschwinden, wahrscheinlich stecken zumindest anteilig Cabernet-Reben dahinter. Als würde das nicht an Pluspunkten schon reichen, kommt dieser Wein mit 13 Prozent Alkohol auch noch öko daher. Nach den Kriterien von Nature et Progrès ausgebaut, darf man sich beim Trinken umweltpolitisch korrekt fühlen.
2000er Pont Neuf, Vin de Pays du Gard, GFA du Petit Milord, Beaucaire, Frankreich, 0,75 l für 8,99 DM, erhältlich bei fast allen Kaisers-Filialen CHRISTINE BERGER
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