piwik no script img

angriffsziel akw19 atomare Sprengsätze

Nun ist es also so weit: Die Franzosen beschützen ihre heikelste Atomanlage militärisch. Rund um die Wiederaufarbeitungsfabrik in La Hague wird Luftabwehr in Stellung gebracht. Und wir sehen aus Deutschland ratlos zu: Ist das notwendig oder Panikmache?

Kommentarvon MATTHIAS URBACH

Es ist fast komisch: Wir sind das Heimatland der german angst vor allen möglichen Umweltkatastrophen. Ausgerechnet die Franzosen, die sich immer darüber lustig gemacht haben, schreiten nun zur Tat.

Das deutsche Innenministerium lehnt Flugabwehr als sinnlos ab: Die Flugstrecken führten zu nah an unseren Atommeilern vorbei. Es bleibe nicht genügend Zeit, um zu reagieren. Schließlich könnte ein Urlaubsjet auch aus Versehen vom Kurs abkommen.

Sicher haben wir kulturell mehr Berührungsängste mit einer Flugabwehr als die Franzosen. Doch kann das ein Argument sein, nicht wenigstens ein paar entlegenere Kraftwerke mit Flugabwehr zu sichern?

Die Logik der Atomkraft macht uns hilflos, macht uns so empfindlich angreifbar. Folgte sie doch dem Motto „Hohes Risiko mal geringe Wahrscheinlichkeit ergibt ein akzeptables Risiko“. Es war immer klar, dass auch Krieg oder Terror möglichen Gefahren sind – und viel wahrscheinlicher eintreten als technisches Versagen.

Zur Logik der Atomkraft gehört aber auch ihre Zentralität, der Zwang zum Mammutprojekt. Was für eine Macht man sich da geschaffen hatte, mussten schon die Grünen beim Ringen um den Ausstieg erleben. Wer weiß: Wenn wir nur einen Atommeiler hätten, wäre der jetzt aus Sicherheitsgründen vielleicht schon vom Netz.

Aber wir haben 19 Meiler, die ein Drittel des Stroms produzieren. Ihr Abschalten wäre teuer, und sie wären auf die Schnelle schwer zu ersetzen. Ist es denkbar, dass ein Politiker verantworten würde, sie wirklich vom Netz zu nehmen, wenn es „konkrete Hinweise“ gäbe? Wohl kaum.

Die Koalition zog sogar einen Antrag der Grünen auf eine aktuelle Stunde im Bundestag diese Woche wieder zurück. Bloß niemanden beunruhigen! Auch die Grünen klammern sich ängstlich an ihren ausgehandelten Atomkonsens. Niemand will ihn gefährden. Dabei ließe sich gerade jetzt vielleicht sogar die Union überzeugen, einen beschleunigten Ausstieg mitzutragen.

Machen wir uns nichts vor: In Deutschland stehen 19 atomare Sprengsätze. Es ist unmöglich, sie hundertprozentig vor Terroristen zu schützen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen