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Der Sieger des Kanzlers

Klaus Wowereit hat die Wahl: Nach einem klaren Sieg darf sich Berlins SPD zwischen der Ampelkoalition und einem Linksbündnis entscheiden

Klaus Wowereit, SPD, Wahlsieger: Der „Aufbruch in eine neue Zeit“, donnert Müntefering, „verbindet sich mit Wowereit.“

aus Berlin ROBIN ALEXANDER

Heute muss Klaus Wowereit zum Kanzler. Ein schöner Termin. Gerhard Schröder hat ja früh auf ihn gesetzt. Jetzt wird Wowereit ihm zum Dank eine sozialdemokratisch regierte Bundeshauptstadt schenken. Auch wenn es am Ende nicht so glanzvoll gekommen ist, wie zuletzt prognostiziert worden war. Schwamm drüber. Der bodenständige Wowereit weiß: 6 bis 8 Prozentpunkte Zuwachs reichen ihm und reichen vor allem Schröder.

Das hat SPD-General Franz Müntefering gestern schon kurz nach 18 Uhr klar gemacht. Er spricht von einem „Aufbruch in eine neue Zeit“. Und er lässt keinen Zweifel, wem der Dank der Partei und ihres Vorsitzenden gelten. Befreiungsschlag, „Weichenstellung“und „all das“, donnert der SPD-General, „verbindet sich mit dem Namen Klaus Wowereit“.

Münteferings Berliner Genossen feierten den „Linksrutsch“ in blasierter Location – bei DaimlerChrysler am Potsdamer Platz. Auch dort rief Wowereit wie mehrmals an diesem Abend: „Gemeinsam sind wir stark, und das bleibt auch so“, sagt er in den Jubel der Genossen hinein. Will er wieder eine neue Redewendung prägen? Sein Selbstbewusstsein an diesem Tag lässt vergessen, dass er sich lange der Treue der Berliner SPD nicht sicher sein konnte. Die wichtigste Entscheidung seines Lebens hat er einsam getroffen: „Die Genossen im Landesvorstand haben mit dem Finger auf ihn gezeigt und gesagt: ‚Du weißt ja, wer die Verantwortung trägt, wenn das schief geht“, berichtet ein Teilnehmer dieser entscheidenden Sitzung im Frühjahr. Das, was da schief gehen konnte, das waren Wowereits Ultimaten gegen die zentrale Figur der CDU und des Berliner Filzes, Klaus Landowsky. Es ging nicht schief. Erst trat Landowsky zurück. Dann wurde Diepgen abgewählt und Wowereit sein Nachfolger. Er agierte aus dem Amt des Regierenden Bürgermeisters heraus, besuchte Pandabären und die älteste Berlinerin, repräsentierte mehr das Berliner Milieu als die neue Haupstadt-Atmo und kletterte unaufhaltsam auf der Beliebtheitsskala.

Nach dem 11. September verstärkte sich der Trend: Wowereits Senat schickte werbewirksam Polizisten in die ängstliche Stadt. Die Take-it-Gysi- Spaßkampagne schien derweil im neuen gesellschaftlichen Klima zu verpuffen. Am Wahlabend kommt es doch anders: Die PDS überquert stolz die 20-Prozent-Marke. Die Schmuddelkinder der Berliner Landespolitik nehmen auch bei der vierten Berliner Wahl seit der friedlichen Revolution zu. Und dennoch sieht der Ober-Sozialist ein bisschen traurig aus an diesem Abend. Mit jeder Hochrechnung wird es zwar besser: Dennoch gratuliert Gysi nicht sich selbst, sondern Wowereit: „Die SPD hat gewonnen, weil sie sich von der CDU befreit hat.“ Der Regierende lässt sich nicht lumpen und lobt die PDS für ihr „außerordentliches Ergebnis“ im Osten. Er nennt auch den Grund: nicht Gysi, sondern „außenpolitische Faktoren“.

Dies ist der Tag des Klaus Wowereit (48) aus Berlin-Lichtenrade. „Der Schlüsselfaktor heißt Wowereit“, hat Wowereit den SPD-Sieg schon vorher begründet – und er hat Recht. Von 22,4 Prozent (1999) an die 30-Prozent-Marke. Sozialdemokraten müssen lange zurückdenken, um sich an einen Wahlabend zu erinnern, an dem die SPD so einen hohen Balken auf der Zugewinn-Grafik hatte. Ausgerechnet aus der notorisch zerstrittenen Berliner SPD mit ihrem Maulhelden-Personal ist mit Wowereit einer ganz nach Gerhard Schröders Geschmack erwachsen. Frühzeitig hat ihn das Willy-Brandt-Haus gefördert und ihm Michael Donnermeyer aus dem Büro des Generalsekretärs ausgeliehen.

Der gefürchtete Wahlkämpfer hatte gar nicht viel zu tun: Die Kampagne geriet zum Selbstläufer. Wowereits Coming-out vor laufenden Kameras machte ihn blitzartig bundesweit bekannt.

Wowereits hohe Sympathiewerte sind erstaunlich, denn seine Botschaft ist ebenso schlicht wie kalt: Er will vor allem sparen, sparen, sparen. Eine Milliarde Mark will er strukturell bei den Personalkosten einsparen. Entlassungen im öffentlichen Dienst schließt er nicht aus. Grüne, PDS und FDP hat er gleichermaßen gewarnt: „Wer Schönwetterpolitik machen will, der kommt nicht in den Senat.“

Er brauche „Optionen“. Mit dieser Formel hat Wowereit vor der Wahl immer und immer wieder Fragen abgewehrt. Nun hat er seine Optionen: Eine Ampel ist möglich. Eine breitere Mehrheit trägt aber eine Zusammenarbeit von SPD und PDS.

Wowereits Leute versuchen am Wahlabend wieder Zeit zu gewinnen. Wahrscheinlich geht man mit FDP, Grünen und PDS in Sondierungsgespräche. „Stabilität drückt sich ja nicht nur in Zahlen aus“, meinten gestern Sozialdemokraten, die auf eine Ampel setzten. Die neu ins Parlament eingezogene FDP sei doch unbekannt und unberechenbar, wenden die Genossen ein, die Rot-Rot wollen. Der, der gewonnen hat, schweigt. Mit wem er Berlin regieren will, geruhte Klaus Wowereit auch als Sieger noch nicht zu verkünden. Dem Kanzler wird er heute Mittag eine Andeutung machen müssen.

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