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Die Suche nach dem Sündenbock

In der CDU rumort es kräftig nach dem Wahldebakel. Parteiintern gerät nun der Landesvorsitzende Eberhard Diepgen unter Druck. Parteichefin Angela Merkel drängt auf Fortsetzung des Generationswechsels. Dessen Repräsentant sei Frank Steffel

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Richtig alt sahen in der Berliner CDU gestern alle aus. Aber einem stand die vernichtende Wahlniederlage vom Sonntagabend ganz besonders ins Gesicht geschrieben. Eberhard Diepgen, Landeschef der Union, trat bleich aus der Präsidiumssitzung. Wortkarg räumte er das Feld in der CDU-Bundesgeschäftsstelle. Die Pressekonferenz mit Parteichefin Angela Merkel und Spitzenkandidat Frank Steffel fand ohne ihn statt. Hinter vorgehaltener Hand war zu erfahren, dass man dem Ex-Bürgermeister heftig zugesetzt und ihn als Hauptschuldigen für das 23,7-Prozent-Fiasko der Union ausgeguckt hätte. Offen formulierte Merkel es nach der CDU-Präsidiumssitzung dann so: „Die personelle Erneuerung der Berliner CDU darf jetzt nicht auf halben Wege stehen bleiben.“ Wer da ihrer Meinung im Wege steht, ist klar. Diepgen. Der CDU-Landesvorstand beriet am Abend über personelle Konsequenzen – vor allem über die Zukunft des bis 2003 gewählte Landesvorsitzenden.

Klar scheint nach der gestrigen Präsidiums- und Landesvorstandssitzung, dass Spitzenkandidat Steffel nicht seinen Hut nehmen muss. Nach Ansicht Merkels gebe es an der vernichtenden Wahlniederlage der CDU zwar „nichts zu beschönigen“. Steffel habe aber in einer von Beginn an fast aussichtlosen Situation „gut gekämpft“ und bleibe für sie der Repräsentant für den fälligen Generationswechsel der Berliner CDU.

Steffel selbst hatte bereits am Sonntag angekündigt, er wolle trotz seiner hohen Niederlage Fraktionschef bleiben. Offen ist allerdings, ob er weiterhin das Amt des CDU-Landesvorsitzenden anstrebt. Er habe mit Diepgen die Frage eines Rücktritts vom Landesvorsitz weder vor der Wahl noch danach erörtert, sagte Steffel gestern. Auf die Frage, ob denn Diepgen weiterhin als Landeschef zu Verfügung stehe, antwortete Steffel ausweichend: Dies müsse man Diepgen schon selbst fragen.

Zugleich hob Steffel hervor, dass er trotz der desaströsen Wahlschlappe „konsequent“ die inhaltliche und personelle Erneuerung seiner Partei und der Fraktion weiter voranzutreiben gedenke. Es gehe nun darum, „eine kräftige Opposition“ zu stellen, aus der heraus es gelingen sollte, eine Ampel- oder eine rot-rote Koalition zu attackieren. Steffel sprach sowohl der möglichen Ampelkoalition als auch einem rot-roten Bündnis „eine stabile und erfolgreiche Politik“ in der Stadt ab.

Steffel räumte gestern nochmals Fehler ein, die eine „Ablösungsoption des rot-grünen Senats“ durch den Wähler nicht zugelassen hätten. So sei es im Wahlkampf nicht gelungen, das „schwierige Thema“ Bankgesellschaft „abzuschütteln“. Zudem habe die CDU den Wählern nicht vermitteln können, ob sie als Oppositionspartei oder Regierungsalternative agiere.

Auswirkungen auf die Bundes-CDU und für die schwierige Lage der Parteichefin im Rennen um die Kanzlerkandidatur 2002 ließ Steffel gestern nicht gelten. Es sei eine spezifisch berlinische Wahl mit hauptsächlich lokalen Themen gewesen.

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