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Es geht um den Kopf von Senator Hattig

■ Bürgerschaftsabgeordneter und Juso-Vorsitzender fordert personelle Konsequenzen aus dem Musical-Theater. Senat bestreitet Millionen-Verpflichtungen.

„Wir foprdern Wirtschaftssenartor Josef hattig zum Rücktritt auf“, so klar brachte es gestern der Bürgerschaftsabgeordnete und Juso-Landesvorsitzende Thomas Ehmke auf den Begriff. Mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden ist Ehmke der Ansicht, dass es kein Geld mehr für das Musical geben sollte. „Das Projekt Musical ist gescheitert“, sagt Ehmke. Aber das reicht ihm nicht: „Mit dem Millionengrab müssen sich jetzt auch die politisch Verantwortlichen verabschieden.“ Die Geschichte des Musical zeige ein „Höchstmaß von Dilettantismus, Versagen und Dummheit“. Und: „Ob hier auch noch Mutwilligkeit und schwarzer Filz vorliegt, muss gründlich untersucht werden.“

Ob die Grünen in der Bürgerschaft auch die Forderung nach einem Rücktritt erheben, wollen sie am Montag beraten, erklärte die Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert. Sie wirft dem Senator vor, den Parlamentariern „immer nur halbe Wahrheiten“ gesagt zu haben und sie noch am vergangenen Donnerstag trotz eindeutiger Fragen „im Unklaren“ über den Stand der Dinge gelassen zu haben. Drei Tage später hatte Hattig eine fertige Senatsvorlage, in der er den Musical-Betreibern mit acht Millionen Mark unter die Arme greifen wollte. Im Verhalten zum Musical erweise sich der Wirtschaftssenator als „Wiederholungstäter“, erklärte Linnert, wiederholt habe er gegen seine Pflichten als Senator verstoßen.

Hattig hatte gegenüber buten&binnen am Donnerstag noch erklärt, er habe Musical-Betreiber Schulenberg die acht Millionen „in Aussicht gestellt“, Schulenberg berufe sich zu Recht auf eine vertragliche Bestimmung, dass die Stadt „Standortmarketing mit Blick auf das Musical“ in einer Höhe von fünf Millionen Mark pro Jahr betreibe.

Der Senat sollte nach Hattigs Beschlussvorlage am kommenden Dienstag die acht Millionen Mark locker machen. Die Alternative sei laut Vorlage, dass der Staat selbst das Musical betreibt oder der Saal anderweitig genutzt wird – beides sei teurer als die dauerhafte schlichte Subventionierung des Musicals mit sieben bis acht Millionen pro Jahr.

Gestern nun verbreitete das Wirtschaftsressort eine ausführliche Darstellung der Details, die sich ganz anders anhören. Danach ist in dem Vertrag vom März 1997 nur davon die Rede, dass Bremen sich verpflichtet, „für die Vermarktung des Standortes Bremen ca. DM 5 Mio p.a.“ einzusetzen. Das tue die Stadt mit ihrer Tourismus-Förderung allemal, interpretiert das Wirtschaftsressort nun diesen alten Vertrag. Schulenberg würde sich danach zu Unrecht darauf berufen. Das Wirtschaftsressort geht davon aus, dass den Musical-Betreibern bisher fünf Millionen Mark an Betriebsverlusten entstanden sind. Ein Ausstieg wäre damit kein Vertragsbruch, Schulenberg habe alle seine Vertragspflichten erfüllt.

Es fehlt in dieser Stellungnahme jedes Bekenntnis, das Musical mit neuen Millionen-Beträgen über die Runden zu retten. Stattdessen stellt das Wirtschaftsressort klar: „Die Abwicklung einer Insolvenz liege ausschließlich im Verantwortungsbereich der beiden privaten Gesellschafter. Mit einer ,provozierten' Insolvenz hätte die KPS-Gruppe zu wesentlich günstigeren Konditionen aus diesem Musical-Betrieb aussteigen können!“ Die Stadt habe keine Verpflichtungen für einen Sozialplan übernommen (bei Jekyll&Hyde zahlte das Wirtschaftsressort den Sozialplan). Diesmal sei ein Sozialplan „ausschließlich ein Thema der privaten Gesellschafter“.

Diese Stellungnahme ist ausdrücklich eine des „Wirtschaftsressorts“. Üblicherweise wird in Stellungnahmen aus einem Ressort deutlich gemacht, dass der Senator auch persönlich dafür die Verantwortung trägt. Dies ist in diesem mehrseitigen Papier an keiner Stelle der Fall. Klaus Wolschner

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