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Russische Medienoffensive im Fall der „Kursk“

Trotz der Endlosberichterstattung im Fernsehen kommt die Wahrheit über das gesunkene Atom-U-Boot immer noch nicht ans Licht

MOSKAU taz ■ Seit die Arbeiten zur Bergung der im August vorigen Jahres gesunkenen „Kursk“ vor anderthalb Monaten in der Barentssee anliefen, berichten Russlands Fernsehkanäle täglich mehrfach mit einer ungekannten Freude am Detail über den Hergang der Arbeiten. Die „Kursk“ hat einen festen Sendeplatz wie eine endlose Serie, mal mit spannenderen, mal langweiligeren Episoden. Und wie bei jeder soap opera kommt der Zuschauer auch in der „Kursk“-Serie mit keiner Sendung näher an die Wahrheit heran.

Eine vergleichbare Öffentlichkeitsoffensive hat es in Russland bisher noch nicht gegeben. Klar ist, dass der Aufwand nicht betrieben wird, um die Hinterbliebenen der Opfer zu entschädigen. Der wahre Grund dürfte ein anderer sein. Wenn es denn schon nicht gelingt, die Bevölkerung von der Unschuld der Marineführung zu überzeugen, so will man sie wenigstens mit Informationen langsam einschläfern.

Nachdem der Rumpf des Atom-U-Bootes gehoben ist, der Hersteller „Rubin“ tausende von Daten über die Katastrophe gesammelt hat, Taucher den auf dem Meeeresboden liegenden Bug von außen inspizierten und die Militäranwaltschaft 22 Bände mit Strafanzeigen abgeheftet hat, behauptete die russische Staatsanwaltschaft am Wochenende: „Die Zahl der möglichen Unfallursachen hat weder zu- noch abgenommen.“

Der Auftritt des russischen Generalstaatsanwaltes Wladimir Ustinow gehörte zu den aufregenderen Teilen der Serie. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte dem Chefankläger befohlen, mit einer Untersuchungskomission als Erster in das Innere der „Kursk“ einzusteigen. Nach der Tour präsentierte sich Ustinow in einem siebenminütigen Video vor dem riesigen, noch immer Furcht einflößenden Wrack. Mehr als zerborstenes und durch Hitze verformtes Metall bekam der Zuschauer indes nicht zu sehen. Dafür aber einen emotionalen Live-Bericht eines sonst eher emotionslosen Uniformträgers. „Was hier drinnen passierte, muss die Hölle gewesen sein. Die Explosion hat alles ausgelöscht. Selbst die starken Stahlmetalle sind wie nichts zerrissen worden.“

Musste man das dem Zuschauer wirklich noch einmal sagen ? Musste man wohl, da die Leitung der Kommission durch einen Staatsanwalt den Eindruck erwecken soll, nun werde tatsächlich nach den wahren Ursachen geforscht. Nach dem Motto: Wir tun unser Bestes, aber Sie sehen ja selbst . . . nur noch deformiertes Metall . . .

Ohnehin behaupten die Verantwortlichen, die Unfallursache lasse sich erst bestimmen, wenn der abgetrennte Bug gehoben wird, in dem sich Raketen vom Typ „Tolstjak“ befunden haben. Ustinow gab das bereits zu verstehen, während die Inspektion noch im Gang ist. Dergleichen schürt Misstrauen. Angeblich ist die Bergung des Bugs für den nächsten Sommer geplant. Es sieht eher danach aus, dass der Kreml die zig Millionen Dollar aufgewendet hat, um die an Bord befindlichen Atomreaktoren zu heben und die Marineführung freizukaufen.

Inzwischen wurden 45 Leichen der Seeleute aus dem Rumpf geborgen. Nach einer gerichtsmedizinischen Untersuchung und Identifizierung werden sie den Angehörigen übergeben.

Die meisten der 118 Männer kamen durch zwei gewaltige Explosionen ums Leben. Ein Teil der Mannschaft in den hinteren Schotten hatte die Detonation jedoch überlebt. 12 dieser 23 Seeleute wurden bereits vor einem Jahr aus dem Stahlsarg geholt. Die Toten, die jetzt gefunden würden, wiesen ebenfalls deutliche Merkmale eines Erstickungstodes auf, meinte Ustinow. Spätestens acht Stunden nach der Explosion, vermutet die Staatsanwaltschaft, sei das Boot endgültig voll Wasser gelaufen.

Auch das ist bisher unbewiesen. Zunächst hatte die Marine behauptet, bei der Detonation sei die ganze Mannschaft auf der Stelle gestorben. Bei den vor einem Jahr geborgenen Leichen fand man unterdessen Notizen, die das Gegenteil bestätigten. Der genaue Wortlaut der Aufzeichnungen wird nach wie vor geheim gehalten. Nicht einmal die Witwen erhielten eine vollständige Abschrift.

Die Arbeiten an der „Kursk“ sind noch nicht beendet. Von den 24 Raketen vom Typ „Granit“ , die sich unversehrt an Bord befanden, sind bisher erst 3 entfernt worden. Dabei handelt es sich um einen komplizierten Vorgang. Erst muss der Treibstoff abgelassen, in einem zweiten Schritt das Wasser aus den Raketencontainern abgepumpt werden. KLAUS-HELGE DONATH

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