: Kein Geld für „Hair“
■ Koalitionsausschuss fand Kompromiss: 10 Millionen fürs Stadtmarketing / Kein Zuschuss fürs Musical
Nach mehrstündiger Beratung hat gestern der Koalitionsausschuss von SPD und CDU den dritten Versuch unternommen, einen Kompromiss für das in Bedrängnis geratene Musical Hair zu finden. Ergebnis: Anders als der Wirtschaftssenator vor zehn Tagen noch vorgeschlagen hatte, sollen definitiv „keine Steuermittel“ in das Musical fließen. Ob der Betrieb von Hair fortgesetzt werde oder nicht, sei allein Sachen der privaten Betreibergesellschaft, in der Klaus-Peter Schulenberg (KPS, Weser Report) die unternehmerische Führung hat. Allerdings sollen die Mittel für Standortmarketing (derzeit fünf Millionen Mark) jedes Jahr um zehn Millionen erhöht werden, und das ab 2002.
Dieser Kompromiss ist, so betonten die Parteivorsitzenden Bernd Neumann (CDU) und Detlev Albers (SPD), die Grundlage dafür, dass der Misstrauensantrag der Grünen gegen Wirtschaftssenator Josef Hattig (CDU) „geschlossen“ von allen Parlamentariern der Koalitionsparteien abgelehnt werde.
Die Erhöhung des Etats für Bremen-Werbung war schon früher von verschiedenen Politikern gefordert worden. Während Schulenberg Werbemittel der Stadt direkt für das Musical gefordert hatte, ist nun nur von „überregionaler Standortwerbung mit dem Schwerpunkt Tourismus“ die Rede, die „vor allem die herausragenden touristischen Projekte Bremens“ in den Mittelpunkt stellen soll. Ausdrücklich geht es um den Etat für 2002. „Derzeit haben wir kein Geld mehr zur Verfügung“, erklärte der Geschäftsführer der Bremen-Marketing-Gesellschaft, Klaus Sondergeld. Ob das Musical im kommenden Jahr noch läuft, wenn diese Mittel ausgegeben werden können, ist offen. Der Geschäftsführer der Hair-Produktionsgesellschaft, René Meyer-Brede, versicherte gestern, dass die Vorstellungen bis Ende des Jahres garantiert seien. Dann endet bisher auch der Kartenverkauf.
Im vergangenen Jahr, als mit zwölf Millionen Mark das vorangegangene Musical Jekyll&Hyde „bis Ende 2001“ gerettet werden sollte, war auch von der Notwendigkeit des überregionalen Marketings die Rede. Im März zeigte sich aber schon, dass das nicht die erwarteten Zuschauerzahlen bringen konnte.
Der Senat hatte am Dienstag noch den Vorschlag gemacht, das Musical-Projekt mit vier Millionen Mark direkt zu fördern und dafür die Zusicherung des Veranstalters einzufordern, Hair bis Ende Juni 2002 zu spielen. Bürgermeister Henning Scherf hatte in einem langen Gespräch den SPD-Fraktionsvorsitzenden Jens Böhrnsen dafür gewonnen, dieser Regelung zuzustimmen – gerüchteweise ist zu hören, er habe auch mit Rücktritt gedroht. In der Fraktionssitzung wurde Böhrnsen aber deutlich gemacht, dass die Fraktion keine direkten Zuschüsse für das Musical mehr mittragen würde. Ausgenommen davon sind die Subventionierungen der Miete – wenn die Kartenerlöse in der Summe nicht ganz deutlich steigen, sind ca. 2,6 Millionen Mark Zuschuss pro Musical-Jahr fällig. Diese Zuschüsse, so betonte SPD-Parteichef Detlev Albers, seien nach alten Verträgen für die Immobilie zugesichert und von der aktuellen Diskussion nicht berührt.
Die grüne Wirtschaftspolitikerin Helga Trüpel findet, dass die SPD-Fraktion den Titel „Umfaller des Jahres“ verdiene. „Jeder weiß doch, dass es nur darum geht, Schulenbergs Hair zu retten“, erklärte sie. Eine „verfehlte Wirtschaftspolitik" würde „mit faulen Kompromissen schöngeredet“. Die wirtschaftspolitischen Fehler der großen Koalition kämen Bremen „extrem teuer“. In jedem Unternehmen, so die Grüne, „muss der Boss gehen, wenn er solche Fehler gemacht hat, nur in der Politik ist es anders“. Das Misstrauensvotum der Grünen gegen Hattig wurde gestern mit 25 Unterschriften eingebracht, und vermutlich am 8. November soll es eine Sitzung der Bürgerschaft geben. Die Grünen wollen geheime Abstimmung beantragen. K.W.
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