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CDU-LandesparteitagBrav und scharf

■ 184 Delegierte nicken alles ab. Ex-Geheimdienstchef Schmidbauer träumt

Der Herr ist nicht böse, er heißt bloß so. Und als Bremer Innensenator und Redner auf dem Landesparteitag der CDU in Vegesack sorgt sich Kuno B. öffentlich, „wie es mit unserer Gesellschaft bergab geht, wenn wir am Flughafen lange warten müssen“. Gestern musste das CDU-Parteitagspublikum zu-nächst einmal auf jene Mehrheit der Bremer Delegierten warten, welche sich geweigert hatten, mit dem Zug nach Vegesack zu fahren – sie standen im Stau.

Nur mit gehöriger Verspätung konnte somit das Grußwort von Unions-Engel „Angie“ Merkel verlesen werden, welche den 184 Delegierten und ihren Gästen prophezeite, dass sie in wenigen Stunden mit ihrer Zustimmung zu den Leitanträgen des Landesvorstands „einen wichtigen Beitrag“ zur inneren Sicherheit der CDU – Verzeihung: Politik der ... – leisten würden. Klatschen im Saal.

Vier Mal Handheben später sind Präsidium und drei Kommissionen für den außerordentlich sicheren Ablauf des außerordentlichen Sicherheits-Parteitags einstimmig bestätigt, ist die Bühne frei für den Stargast des Abends: den Kohl'schen Ex-Staatsminister und Ex-Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer. Der Möchte-Gern-James-Bond des Altkanzlers rühmt sich, schon 1995 darauf hingewiesen zu haben, „was passiert, wenn man über Einwanderung zwar redet, aber die Begrenzung nicht einführt“. Denn „wir“, so fügt sein Parteifreund Kuno Böse später hinzu, „haben es hier in Deutschland ja zu tun mit Menschen aus Ländern des vorderen und mittleren Orients, die dann, zum Teil jedenfalls, in den USA diese Anschläge vollbracht haben.“

Ginge es nach Schmidbauer und seinen Freunden, dann müssten jetzt schleunigst die Grenzen fallen: nicht die um Deutschland und Europa, sondern die zwischen Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Bundeswehr und Polizei. „Es geht nicht darum, ein Trennungsgebot einzuhalten und Datenschutz zu betreiben“, ruft Schmidbauer in den Saal: „Datenschutz ist Täterschutz“. Niemand widerspricht – ganz im Sinne des Redners, denn: „Bedenkenträger werden hier nicht gebraucht.“ Falls es im Saal doch welche geben sollte, so bleiben sie jedenfalls still und unsicher auf ihren Stühlen sitzen. Aber Schmidbauer fordert nicht nur, er hat auch Visionen. Im hemmungslosen Datenfluss zwischen allen europäischen „Sicherheits“-Behörden etwa, ansatzweise bereits realisiert im „Schengener-Informations-System“ (SIS), sieht er „den Weg Europas“. Beifall.

Damit sich nicht zu viele auf den Weg machen, fordert Böse gleich anschließend „Einreise- und Aufenthaltsverbote auch dann, wenn es noch nicht zu Straftaten gekommen ist“. Die Delegierten, größtenteils keine Straftäter und also potenziell von Böses Maßnahmen betroffen, bleiben ruhig. Böse hat, nicht nur auf dem bisher pulverfreien Freimarkt, „die Lage recht gut im Griff“. Schließlich hat Bremen vor wenigen Tagen ein Polizeigesetz bekommen, das, so freut sich Böse, „vor wenigen Wochen noch undenkbar war“. Die Rasterfahndung wird bereits praktiziert, und auch der finale Rettungsschuss könnte bald notwendig werden – etwa beim Musical, könnte man denken. „Macht nichts“, wiegelt Landesvorsitzender Bernd Neumann ab: „Wenn man so viel tut, dann kann auch mal was schief gehen.“ as

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