piwik no script img

Schröders Angebot ohne Not

Die deutsche Kerntruppe für Afghanistan wird aus Spezialeinheiten bestehen. Für die US-Planung ist genau dies aber unwichtig

von ERIC CHAUVISTRÉ

Der kleinste Teil des Bundeswehr-Kontingents, das Bundeskanzler Gerhard Schröder gestern der US-Regierung anbot (siehe Kasten), ist gleichzeitig derjenige, der die größte politische Gefahr mit sich bringt. Mit dem jetzt möglich werdenden Einsatz von verdeckt operierenden Spezialeinheiten der Bundeswehr könnte die deutsche Kriegsbeteiligung doch noch zu jenem „Abenteuer“ werden, das Schröder bei seiner Regierungserklärung am 19. September ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Denn der 350 Soldaten umfassende Kern der insgesamt 3.900 Mann starken deutschen Truppen soll tatsächlich in Afghanistan agieren.

Der Einsatz von Bodentruppen sei nicht geplant, versicherte Schröder – und kündigte gleichzeitig die „Bereitstellung“ von einigen hundert Soldaten an. „Es geht nicht um klassische Bodentruppen“, versuchte Schöder den Widerspruch zu erklären. Schließlich seien dies Truppen, „die nicht auf Dauer am Boden bleiben“. Dass diese Truppen, wenn sie denn „am Boden“ sind, ganz besonders riskante Einsätze unternehmen, verschwieg der Kanzler.

Bei den von Schröder erwähnten 100 „Spezialkräften“ kann es sich nur um die im süddeutschen Calw stationierte KSK handeln – das „Kommando Spezialkräfte“ des Heeres. Schröder weigerte sich zwar auf Nachfrage während der Pressekonferenz, die Bezeichnung „KSK“ zu nennen, aber der Verweis auf deutsche Spezialkräfte kann sich nur auf die 1996 eingerichtete Truppe beziehen. Insgesamt soll sie einmal über 1.000 Soldaten verfügen, zurzeit sind aber nur 450 davon einsatzbereit. Geheimniskrämerei gehört bei solchen Einätzen schlicht dazu – wohl deshalb wollte Schröder nicht einmal den Namen der Truppe nennen.

Nicht ganz eindeutig war Schröders Verweis auf „Einheiten zur Evakuierung von Verletzten“. Wahrscheinlich handelt es sich bei den Einheiten um die im Januar 2000 eingerichtete „Division Spezielle Operationen“ (DSO). Kritische Militärexperten bezeichnen die DSO auch als „KSK light“. Zusammengesetzt ist diese Truppe aus etwa 7.400 Soldaten vor allem aus Luftlandeeinheiten. Die Soldaten sind zwar nicht unter denselben extremen Bedingungen ausgebildet wie die KSK, aber auch sie sind mit Hubschraubern ausgerüstet und können per Fallschirm in gegnerisches Gebiet gebracht werden. Für Spezialoperationen oder so genannte „Search and Rescue“-Missionen zur Rettung von Soldaten sind also auch diese Einheiten gerüstet.

Auch wenn Schröder wiederholt auf die Bündnisverpflichtungen Deutschlands verwies, wird der Krieg in Afghanistan mit der unmittelbaren Beteiligung Deutschlands nicht zu einem Krieg der Nato. Schröder sagte zwar, es sei klar, „dass ein Einsatz von Spezialeinheiten unter deutschem Kommando erfolgen werde“. Doch dies bezog sich offensichtlich nur auf die konkrete Befehlsgewalt über die Einheiten. In der Tat deutet alles darauf hin, dass die US-Regierung weiterhin alleine über das Wann und Wo von Einsätzen aller in Afghanistan operierenden alliierten Truppen entscheidet.

Militärisch erforderlich war diese „Anforderung“ der US-Regierung sicher nicht. Zwar bilden die Spezialeinheiten zahlenmäßig nur einen kleinen Teil der US-Streitkräfte, aber immerhin verfügen die USA über mehrere zehntausend dieser speziell ausgebildeten und ausgerüsteten Truppen. Zudem sind bereits jetzt in und um Afghanistan Einheiten der britischen Special Air Services (SAS) – das Vorbild für die Spezialkräfte der meisten Nato-Staaten. Auch australische Spezialeinheiten sind auf dem Weg in die Region oder bereits dort im Einsatz.

Für die konkrete militärische Planung in Afghanistan dürfte es eher irrelevant sein, ob nun noch weitere hundert, relativ unerfahrenen Spezialkräfte hinzukommen. Auffällig ist, dass in den US-Medien in den letzten Wochen solche Anforderungen nach Truppen von Verbündeten nie Thema waren. Dass Schröder gestern ausdrücklich betonte, die Bundesregierung habe sich nicht „aufgedrängt“, lässt ebenso aufhorchen wie der Hinweis des Kanzlers, dass der Grad der Information durch die Amerikaner mit der direkten deutschen Beteiligung steigen werde. Die Versuchung unter den Verbündeten der USA, neben Großbritannien wieder in die erste Reihe zu rücken, hat offenbar die Furcht vor „Abenteuern“ in den Hintergrund rücken lassen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen