AFGHANISTAN: DIE UN STEHEN VOR SCHIER UNLÖSBAREN PROBLEMEN: Was bleibt, ist Hoffnung
Die Vereinten Nationen sind um ihren neuen Job in Afghanistan nicht zu beneiden. Denn dort war es schon immer einfacher, militärische Siege zu erzielen als tragfähige politische Lösungen durchzusetzen – erst recht solche, die von allen Volksgruppen getragen werden. Heute stehen die UN in Afghanistan vor keinem geringeren Problem, als ein durch über zwanzig Jahre Krieg, mafiöse Warlords, ethnische Rivalitäten und islamistische Ideologien zerstörtes Gemeinwesen von Grund auf wieder aufzubauen. Das haben die UN schon mehrfach in Afghanistan versucht. Bisher scheiterte sie, weil sich die Beteiligten – manipuliert von Nachbarländern – nicht an die Vereinbarungen hielten.
Jetzt hat die Nordallianz mit der Einnahme Kabuls bereits Tatsachen geschaffen, bevor die von den Vereinten Nationen angestrebte Übergangsregierung auch nur in Ansätzen zu erkennen ist. Die UN stecken nun in einem Dilemma. Denn sie erkennen den offiziellen Kopf der Nordallianz, Burhanuddin Rabbani, noch immer als legitimen Präsidenten Afghanistans an. Deshalb können sie ihm und seinen Streitkräften den Einzug in die Hauptstadt kaum verwehren, es sei denn, sie entzögen ihm die Anerkennung oder knüpften diese an Bedingungen. Die werden sie aber nicht stellen können, solange die Nordallianz noch eine militärisch wichtige Rolle spielt. Denn noch sind die Taliban nicht besiegt und haben die Amerikaner und Briten nicht genügend eigene Truppen am Boden, von den UN ganz zu schweigen. Je mehr Tatsachen die Nordallianz schafft, desto unwahrscheinlicher wird eine breit akzeptierte politische Lösung.
Den UN bleibt also nur zu hoffen: zum einen, dass die Führer der Nordallianz aus ihren früheren Fehlern gelernt haben und jetzt wirklich zur Machtteilung bereit sind, zum anderen, dass auch die Weltgemeinschaft gelernt hat, durch äußeren Druck dafür zu sorgen, dass ihre Vorstellung von einer breiten Übergangsregierung durchgesetzt wird. Doch die Druckmittel sind begrenzt. Die Wiederaufbauhilfe an Bedingungen zu knüpfen und internationale Truppen zu entsenden bringt neue Probleme und Risiken mit sich. Die wenig Erfolg versprechendere Alternative wäre, die Afghanen ihrem Schicksal selbst zu überlassen. SVEN HANSEN
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